Susan Tedeschi

Soundtrack des Tages (165): Tedeschi Trucks Band

Nachschlag zum Soul-Freitag: Die Tedeschi Trucks Band bringt dieser Tage ihren zweiten offiziellen Konzertmitschnitt auf den Markt, auf „Live From The Fox Oakland“ (Concord Records) findet sich unter anderem auch diese wunderbare Verbeugung vor dem großen Leonard Cohen:

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Reingehört (133)

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Sioux Falls – Rot Forever (2016, Broken World Media)
Kommen aus Portland, haben ihre Band vermutlich nach der größten Stadt in South Dakota benannt, die Herren Isaac Eiger, Fred Nixon und Ben Scott, und bringen nach der inzwischen vergriffenen 2014er-LP ‚Lights Off For Danger‘ und einer folgenden Split-EP nun im neuen Jahr ein opulentes Paket in Form eines 72-Minuten-Doppelalbums unter die Leute. Lässt sich gut hören, der euphorische Indie-Rock-Ansatz, der recht angenehm an diesen beherzten Springsteen-/Clash-Geist der ersten beiden Gaslight-Anthem-Alben denken lässt, die oft sechs- bis acht-minütigen Songs sprühen vor Ideen, die Melodien sind griffig, der Gitarrenanschlag ist auf respektablem Built-To-Spill-Niveau, allzu viel Alternative-Rock-Wohlklang wird sporadisch mit brachialem Hardcore-Gebrüll durchpflügt – ein ambitioniertes, in seinen besten Momenten hypnotisierendes und aufwühlendes Album, welches das Rad sicher nicht neu erfindet, aber auch ohne diesen Anspruch ganz munter vor sich hinrollt.
(****)

V.A. – God Don’t Never Change: The Songs Of Blind Willie Johnson (2016, Alligator / in-akustik)
Eine illustere Schar von Tonkünstlern hat sich versammelt, um dem 1945 in Texas im Alter von 48 Jahren dahingeschiedenen musikalischen Ahnherrn Blind Willie Johnson Tribut zu zollen. Der bibelfeste und tiefreligiöse Johnson war im Blues wie in der Gospelmusik gleichermaßen bewandert, in den Jahren 1927 bis 1930 hat er für Columbia Records eine Handvoll Singles eingespielt, die fester Bestandteil des 20er-Jahre-Spirituals-/Country-Blues-Kanons sind, „Dark Was The Night, Cold Was The Ground“ wurde später von Ry Cooder als Vorlage für seinen „Paris,Texas“-Soundtrack verwendet, „John The Revelator“ erfuhr zahlreiche Interpretationen, versierte Musiker wie Nick Cave, Frank Black, Hugo Race oder A. A. Bondy zollten dem Stück auch in jüngster Vergangenheit Tribut.
Auf ‚God Don’t Never Change‘ ist das Niveau der Neueinspielungen auf erfreulich hohem Niveau, die verzichtbaren Anstrengungen von Skinhead O’Connor und der arg zum Soul-Mainstream tendierende Wurf der Blind Boys Of Alabama sind lässliche Sünden, ein gestandener Blues-Gröhler und Erweckungsprediger wie Tom Waits und Alternative-Country-Queen Lucinda Williams dürfen jeweils zweimal ran, beide liefern erwartet solide Klangkunst, Frau Williams hat bereits 2003 auf ihrem Beitrag zum Vanguard-Tribute ‚Avalon Blues‘ für den großartigen Mississippi John Hurt eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass ihr das Material der großen Vorbilder vertraut ist, im vorliegenden Album hinterlässt sie vor allem bei der bekannten Johnson-Nummer „Nobody’s Fault But Mine“ einen exzellenten Eindruck.
Maria McKee und North-Mississippi-Allstar Luther Dickinson liefern solide Kost in Sachen Johnson-Reminiszenz, für die Highlights des Albums sorgen die jeweiligen Interpretation von Susan Tedeschi im Verbund mit ihrem Slide-Gitarren-Göttergatten Derek Trucks, die hier absolut würdevoll und stilistisch formvollendet ein tief empfundenes „Keep Your Lamp Trimmed And Burning“ singt, Rickie Lee Jones mit einer düsteren „Dark Was The Night…“-Version, mit ihrer für den Blues wie geschaffenen, ureigenen Lässigkeit, und die Cowboy Junkies mit einer in Punkto intensiv-brachialem Vortrag völlig positiv-überraschenden Margo Timmins beim Vortrag des Spirituals „Jesus Is Coming Soon“. Produziert hat ein gewisser Jeffrey Gaskill, der hat sich in Sachen Tribute schon mal bei ‚Gotta Serve Somebody: The Gospel Songs Of Bob Dylan‘ (2003, Sony / Columbia) verdient gemacht. Bye And Bye I’m Going To See The King…
(**** ½)

Reingehört (123)

ttb

Tedeschi Trucks Band – Let Me Get By (2016, Concord / Universal)
Wo die Holzveranda in den Sümpfen Floridas zum Sehnsuchts-Ort wird: die Band um das Ehepaar Susan Tedeschi / Derek Trucks nutzte die Pausen ihrer ausgedehnten Konzertreisen im vergangenen Jahr zu Jam-artigen Übungsabenden im Familien-eigenen Swamp Raga Studio, Resultat ist das dritte unter diesem Bandnamen eingespielte Studioalbum, die Southern-Big-Band wurde hier von Tim Lefebvre am Bass begleitet, kürzlich ist er auch bei Bowie’s finalem Werk ‚Blackstar‘ in Erscheinung getreten.
Southern Blues-Rock, Soul, indische Klassik und afrikanische Polyrhythmik bilden den Rahmen für Susan Tedeschis Soul-Sangeskunst und das begnadete Saitenspiel Derek Trucks‘, der hier zum wiederholten Male unterstreicht, warum er derzeit unbestritten zur Gitarristen-Weltklasse gezählt wird.
Geerdet, entspannt, berauschend im freien Improvisations-Groove, das Album verfügt über alle maßgeblichen Eigenschaften, die in diesem Genre spätestens seit dem ‚At Fillmore East‘-Meilenstein der Allman Brothers Band aus dem Jahr 1971 (Capricorn) als Bezugsgrößen gelten.
(**** ½)

Tedeschi Trucks Band live at Mountain Jam X, Hunter/New York, 2014-06-07 @ nyctaper.com

Sierra Hull – Weighted Mind (2016, Rounder)
Die amerikanische Mandolinen-Virtuosin Sierra Hull hat bereits 2002 im Alter von 10 Jahren ihr erstes, eigenvertriebenes Album veröffentlicht, seit 2008 ist sie beim in Nashville/Tennessee beheimateten Roots-Spezialisten Rounder unter Vertrag, ‚Weighted Mind‘ ist ihre dritte Veröffentlichung für das Indie-Label, das von Béla Fleck produzierte und von Alison Krauss Gaststar-bereicherte Album bietet zwölf Perlen aus dem Bereich Bluegrass, Newgrass und Folk, die sich auf musikalisch-handwerklich hohem Niveau bewegen, klar strukturiert und – wohl bewusst – spärlich instrumentiert sind und so die spielerische Brillanz der jungen Mandolinen-Pickerin ideal zur Geltung bringen, die mit ihrem wunderschönen, engelsgleichen Gesang einhergeht. Thematisch dreht sich in den Songs dieses Unplugged-Albums vieles um Verlust, Verwirrung, allerlei Sorgen und Sehnsüchte, um was es im Bluegrass halt gerne mal geht… herzergreifende Americana ohne Fehl und Tadel.
(****)

Tedeschi Trucks Band + Henrik Freischlader Trio @ Circus Krone, München, 2015-11-11

Pünktlichst um 20.00 Uhr gingen im altehrwürdigen Münchner Krone-Bau die Lichter aus, und bevor die Jacksonville-Blues-Bigband den Saal groovte, spielte das Henrik Freischlader Trio das gut gefüllte Circus-Rund in Stimmung. Gitarren- und Gesangsstil des Kölners Wuppertalers Freischlader sind unüberhörbar an Größen wie Stevie Ray Vaughan, Hendrix, Buddy Guy oder Chris Whitley geschult und damit war das Bluesrock-Trio an dem Abend selbstredend am richtigen Ort, mit handwerklich gut gemachtem, Stromgitarren-dominiertem Versatz aus Blues und Soul und einer präzise-virtuos arbeitenden Rhythmus-Sektion stieß die Band beim Publikum auf offene Ohren und erntete den verdienten Applaus.
Der mit Joe Bonamassa befreundete Henrik Freischlader und seine Mitmusiker haben seit 2006 bereits neun Alben veröffentlicht, das Repertoire des Mittwochabends bestand hauptsächlich aus dem im nächsten Jahr erscheinenden neuen Tonträger.
(****)

circus krone - henrik freischlader trio 2015-11-11

Der Blues und Soul wirkte bei Freischlader und seinen beiden Begleitern reduziert und auf das Wesentliche konzentriert, ganz anders verhält es sich bei Konzerten der Tedeschi Trucks Band, die mit 12-köpfiger Besetzung antrat und ein dementsprechend wuchtig-opulentes Soundspektrum bei der Aufführung ihrer Blues-, Soul-, Jazz- und R&B-Mixturen präsentierte.
Susan Tedeschi glänzte vor allem wie erwartet in ihrer Rolle als kraftvolle Soul-Sängerin, und ihr Gatte Derek Trucks ist aufgrund seiner imposanten Vita als ehemaliger Gitarrist der legendären Allman Brothers Band, Chef seiner eigenen Combo und aufgrund der Begebenheit, dass er bereits als Dreizehnjähriger als Mitmusikant bei Blueslegende Buddy Guy akzeptiert wurde, sowieso über jeden Zweifel erhaben. Orgel, Bass, zwei Schlagzeuger und jeweils drei Bläser bzw. Background-Sänger rahmten Gesang und Gitarrenspiel des Ehepaars in einem prallen Soundgebilde ein, dass dem ein oder anderen Zuhörer an manchen Stellen des Guten ein Zuviel an Klangeindrücken war, wiederholt wurden Rufe laut, Trucks solle in kleiner Besetzung oder Solo vortragen.
Tatsächlich erschien der Herrgott immer dann im Saal, wenn der Weltklasse-Gitarrist zu seinen grandiosen Soli ansetzen konnte, vergleichbare technische Brillanz und ein unverwechselbares, beseeltes Spiel habe ich bisher konzertant in der Güte nur beim kalifornischen Gitarren-Guru David Lindley erleben dürfen, wiederholte Male zelebrierte Trucks nahezu meditativ-transzendente Gitarrenläufe, die in ihrer Virtuosität und ihrer Klang-Reinheit vermehrt an Ragas des indischen Sitar-Meisters Ravi Shankar gemahnten.
Man täte dem Bigband-Ensemble allerdings unrecht, würde man ihre Leistungen kleinreden, Perlen wie „Midnight In Harlem“, „Made Up Mind“ oder die in der Zugabe präsentierte, einzig wahre „With A Little Help From My Friends“-Interpretation im Stil der Joe-Cocker-Version hinterließen in der Full-Band-Fassung einen glänzenden Eindruck, allerdings wurde der Box-Tops-Klassiker „The Letter“ hinsichtlich Opulenz und Arrangement tatsächlich überreizt, wenn ein Werk aus Alex Chilton’s Standard-Programm nicht mehr zündet, dann hackt’s tatsächlich…
Zum Ende des Sets fand das Begehr der Nörgler Gehör, Chor und Gebläse verschwanden von der Bühne und die Band offenbarte in der reduzierten, Gitarren-dominierten Inkarnation Improvisations-Qualitäten von nahezu Grateful-Dead-artigem Ausmaß.
Nach vollen zwei Stunden war mit dem bereits erwähnten „Mad Dogs And Englishman“/Cocker-Zitat die Messe gelesen und mit dem Woodstock-Klassiker des rumfuchtelnden („spasmodic body movement“) Blues-Kreischers aus Sheffield sollte der Abend auch für die kritischen Geister ein versöhnliches Ende genommen haben.
(**** 1/2 – *****)

Lost & Found (3)

Tedeschi-Trucks-Band

Tedeschi Trucks Band – Revelator (2011, Sony)
Die Eheleute Susan Tedeschi und Derek Trucks machten 2009 Pause von ihren jeweiligen eigenen Bands und bündelten die Kräfte zu einem gemeinsamen Projekt, dass seither als 11-köpfige Combo die Bühnen dieser Welt bespielt. Mit ‚Revelator‘ erschien vor vier Jahren das Debüt der Big-Band, schwere Bläsersätze, beseelter Harmonie-Gesang des Background-Trios, das exzellente Saitenspiel des Gitarren-Wunderkinds Derek Trucks und der charakteristische Soul-Gesang Susan Tedeschis sorgen auf dem Erstwerk für eine entspannte, erstklassige Southern-Rock-Stimmung, wie man sie von den herausragenden Frühwerken der Allman Brothers Band in ihren besten Momenten und vom einzig brauchbaren Lynyrd-Skynyrd-Album, dem MCA-Debüt ‚(pronounced ‚lĕh-’nérd ’skin-’nérd)‘ aus dem Jahr 1973 kennt.
Die Referenz zu den Allman-Brüdern kommt im Falle Derek Trucks selbstredend nicht von ungefähr, der junge Mann, der bereits im Alter von 13 Jahren mit Blues-Legende Buddy Guy musizieren durfte und nicht zu Unrecht in der Rolling-Stone-Liste „100 Greatest Guitarists of All Time“ aktuell auf Platz 16 geführt wird, lieferte bei den Allmans von 1999 bis 2014 neben Warren Haynes den Band-typischen Gitarren-Sound, alte Familientradition sozusagen, Onkel Butch Trucks war als Drummer Gründungsmitglied der Southern-Rock-Legende und neben Gregg Allman der einzige Musiker, der während der gesamten Band-Historie an Bord war.
‚Revelator‘ besticht an vielen Stellen durch zusätzliche Soul- und vor allem Blues-Einfärbungen, die in ihren besten Momenten das Herz jedes Ry-Cooder-Fans höherschlagen lassen.
Der All Music Guide konstatiert treffend: “Revelator is a roots record that sets a modern standard even as it draws its inspiration from the past. It’s got everything a listener could want: grit, groove, raw, spiritual emotion, and expert-level musical truth.“
Das Album sackte 2012 einen Grammy in der Kategorie „Best Blues Album“ ein.
(*****)

Tedeschi Trucks Band – Made Up Mind (2013, Sony)
Nach dem Live-Album ‚Everybody’s Talkin‘ (2012, Sony) veröffentlichte die Band 2013 ihr zweites Studio-Album, verglichen mit dem Debüt kommen hier vermehrt die Einflüsse der Soul-Labels Stax und Motown zum Tragen, auch der Jazz wird gewürdigt im Sinne der freieren Improvisation und der gleichberechtigten Koexistenz der Instrumentierung, der Einsatz von Flöten erinnert angenehm an die Celtic-Jazz-Folk-Frühwerke Van Morrisons, die Stimme Susan Tedeschis ist auf Top-Level, absolut zupackend, und muss hier Vergleiche mit Soul-Diven wie Mavis Staples oder Etta James keinesfalls scheuen. Die Arrangements erscheinen ausgefeilter, druckvoller, wer ein Faible für perfekte Produktionen hat, liegt mit dem Album goldrichtig. Einzig der völlig relaxte Akustik-Blues von „Calling Out To You“ zum Ausklang des Tonträgers dient als Brücke zum wesentlich entspannteren ‚Revelator‘-Album, das mir in seiner – trotzdem mit viel Tiefgang – präsentierten Unaufgeregtheit etwas mehr am Herzen liegt.
Die Tedeschi Trucks Band spielt am 11. November im Rahmen ihrer herbstlichen Europa-Tour ihr erstes Deutschland-Konzert im altehrwürdigen Münchner Circus-Krone-Bau, Vorfreude pur ;-))
Weitere Termine in unseren Gefilden: 13.11. Stuttgart / 14.11. Bochum / 15.11. Berlin.
(****)

Legale Konzert-Mitschnitte der Tedeschi Trucks Band: guckst Du bei nyctaper und archive.org.

Foto (c) Tedeschi Trucks Band / Band Promotional Foto