T-Bone Burnett

Reingehört (255): Gillian Welch

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Gillian Welch – Boots No. 1: The Official Revival Bootleg (2016, Acony Records)
Vor 20 Jahren hat die New Yorker Songwriterin Gillian Welch ihr Erstwerk „Revival“ (Almo Sounds) unter maßgeblicher Beteiligung ihres musikalischen Langzeitpartners Dave Rawlings und der Produzenten-Legende T-Bone Burnett eingespielt, selten klang ein Debütalbum kompletter, eine Musikerin bereits ganz bei sich als Welch mit ihrem aus der Zeit gefallenen, organischen, aber eben auch völlig zeitlosen Bluegrass und Country-Folk, eine Künstlerin nicht erst am Anfang eines Entwicklungsprozesses, sondern bereits dort angekommen, wo sie scheints ein ganzes Musikerleben lang hin wollte.
Die 21 Demos, Alternativversionen, Outtakes, Live-Einspielungen und Radiobeiträge auf „Boots No. 1“ aus den Zeiten der Aufnahmesessions dokumentieren umfassend den Entstehungsprozess dieser Glanztat. Lockere und spontane Übungen, die jederzeit als fertige Songs bestehen, schlicht und tiefenentspannt, Country-Blues, Appalachen-Volksmusik, mit „455 Rocket“ ein beherzter Country-Rock’n’Roller, der nicht in das „Revival“-Konzept passen mochte, nicht zuletzt eine Handvoll Balladen, die in Melancholie und mitunter auch in finsterem, hoffnungslosem Fehlen jeglicher Illusionen versinken, und zur Aufrichtung der Seelen der alte Kirchen-Gospel „Old Time Religion“, der sich selbstredend streng am Originaltext orientiert und gotteslästerliche Inhalte wie etwa in den Abwandlungen der späteren Residents-Version („It was good for making millions!“) weit von sich weist.
Gillian Welch beeindruckt einmal mehr durch diese alte, abgeklärte, wissende Stimme, die sich auch auf Folksongs und Bluegrass-Aufnahmen der zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts völlig stimmig zum jeweiligen Gitarrenanschlag und Mandolinen-Picking eingefügt hätte. Partner Rawlins unterstützt mit gewohnt anmutigem, lebendigem Gitarrenspiel und bereichert den Sangesvortrag mit zweiter Stimme und Harmoniebeigaben. Wär’s bereits auf der berühmten „Anthology Of American Folk Music“ von Harry Smith aufgetaucht, niemanden hätte es gewundert.
(**** – **** ½)

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Lost & Found (8): Where The Pyramid Meets The Eye

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„About the album’s title, I’ll never forget the time all those years ago when I asked Roky what psychedelic music was. Ever the gentlemen, Erickson looked at me with shining eyes and said, „Don’t you know, man? That’s where the pyramid meets the eye.“ You’re right, Roky, and you’re the person who put it there.“
(Bill Bentley)

„…there are a several moments of very real beauty and power here, especially from the artists who share Erickson’s Texas heritage — Doug Sahm and ZZ Top rock out on their contributions, the Butthole Surfers‘ version of ‚Earthquake‘ is one of their finest moments on wax, and T-Bone Burnett’s take on ‚Nothing in Return‘ is a heart-tugging gem.“
(Mark Deming, allmusic.com)

„The Syd Barrett of Texas.“
(Joe Nick Patoski, No Depression)

Various Artists – Where The Pyramid Meets The Eye: A Tribute To Roky Erickson (1990, Sire)
Gab mal eine Welle Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger, in deren Flut wurden alle möglichen Größen und auch das ein oder andere kleinere Licht der Populären Musik mit Werkschau-artigen Tribute-Werken bedacht, Coverversionen der jeweiligen „Greatest Hits“, eingespielt von musizierenden Fans und Genre-verwandten Künstlern, Weggefährten und auch ein paar Verirrten, die man mit dem gewürdigten Star oder der Band im Einzelfall nie und nimmer in Zusammenhang gebracht hätte.
Schöne Sammlungen gab’s da, „The Bridge: A Tribute To Neil Young“ (1989, Caroline) etwa, mit dem die Creme der damaligen Indie-Szene auch gleich noch etwas Münzen für Pegi Young’s Bridge School für Kinder mit Behinderungen sammelte, oder „I’m Your Fan: The Songs of Leonard Cohen“ vom französischen Oscar-Label aus dem Jahr 1991 zur Würdigung des kürzlich verstorbenen kanadischen Songwriters. Einiges ging auch grob in die Binsen, Bands wie XTC, die Membranes oder That Patrol Emotion konnten nur scheitern an der singulären Genialität eines Don Van Vliet aka Captain Beefheart, hinsichtlich der drei Teile der „Heaven & Hell“-Serie als Verneigung vor den Werken der Velvet Underground herrschte auch nicht eitel Sonnenschein, zuviel Ausschuss tummelte sich zwischen wenig Gelungenem, wer aber uneingeschränkt mit erbaulichen bis begnadeten Fremd-Interpretationen des eigenen Werks in das Bewusstsein der Hörerschaft zurückgezerrt wurde, war Psychedelic-/Garagen-Rock-Gott Roky Erickson, „Where The Pyramid Meets The Eye“ ist bis dato eines der gelungensten und anrührendsten Exemplare dieser Tribute-Sampler-Gattung.
Produziert und zusammengestellt hat das gute Teil der Journalist, ZZ-Top-Spezi und „Music Industry Executive“ Bill Bentley, der wie Roky Erickson aus Texas stammende Geschäftsmann versammelte eine illustre Musikantenschar zur Neueinspielung der Erickson-Solo- und 13th-Floor-Elevators-Perlen des Psychedelic-Rock-Pioniers.
Wenn man mit den Rauschebärten persönlich so dicke ist, spricht nichts gegen eine Eröffnung des Reigens mit dem Elevators-Kracher „Reverberation (Doubt)“ durch ZZ Top im treibenden Bluesrock-Gewand, die Nummer taucht abschließend in selbstredend mutierter Form von den schottischen Noise-/Indie-Rockern Jesus & Mary Chain dargeboten noch einmal auf. Aus dem Fundus der 13th Floor Elevators bedienen sich unter anderem Dough Sahm mit „You’re Gonna Miss Me“, Primal Scream mit einer gelungenen Rave-Adaption von „Slip Inside This House“ und die geistesverwandten Weirdos von den Butthole Surfers mit der entfesselten, wie für sie geschriebenen „Earthquake“-Nummer.
Dass der in seinem Leben phasenweise von Schizophrenie geplagte Roky Erickson als Solokünstler verdienten Kult-Status erlangte, belegen Solo-Alben wie der mit dem Creeedence-Clearwater-Revival-Bassiten Stu Cook eingespielte 1980er Meilenstein „I Think Of Demons“ (CBS) oder seine „Halloween“-Live-Aufnahmen Ende der Siebziger mit den Explosives, bei der Neubearbeitung von Werken aus dieser Ära tun sich auf dem Tribute-Album vor allem Julian Cope mit einer treibenden Prog-/Rave-Version von „I Have Always Been Here Before“ und R.E.M. mit Byrds-artigem Gitarren-Geschrammel in „I Walked With A Zombie“ hervor, die Truppe um Michael Stipe nimmt der Nummer zwar jegliche Schärfe, arbeitet aber dafür nicht geahnte, große Pop-Momente heraus. T-Bone Burnett und Bongwater glänzen mit ureigener Balladen-Kunst in „Nothing In Return“ und „You Don’t Love Me Yet“, John Wesley Harding verbrät „If You Have Ghosts“ zu grundsolider Indie-Rock-Intensität. Mit „Red Temple Prayer (Two Headed Dog)“, „Don’t Slander Me“ und „Burn The Flames“ treiben Sister Double Happiness, Lou Ann Barton und die großartigen Thin White Rope ihr jeweils eigenes Spiel in Sachen Blues-infizierter Garagen-Trash, in allen drei Fällen mit individueller Note versehen und im Resultat mehr als hörenswert.
Die Vinyl-Ausgabe des Tonträgers enthielt drei zusätzliche Stücke von den Angry Samoans („White Faces“!), den Lyres und The Mighty Lemon Drops.
Eine formvollendete, gelungene und stimmige Verneigung vor einem der ganz Großen der amerikanischen Rockmusik, der in erster Linie von allem zuviel abbekommen hat, zuviel Irrsinn, zuviel bewusstseinserweiternde Drogen, zuviel Medikamenten-Missbrauch, zuviel Aufenthalte in Hospitälern, zu viele Horror-Filme auf zu vielen Bildschirmen gleichzeitig, bedauerlicherweise nicht zuviel vom Ruhm, der einem wie Roky Erickson im Musik-Business einer besseren Welt zuteilgeworden wäre.
(*****)

True Detective

True Detective – Eine HBO-Produktion, die qualitativ dem Serien-Giganten „Breaking Bad“ gleichkommt. Ein düsterer, komplexer Kriminal-Albtraum, hervorragend besetzt und vor allem getragen durch die brillante Darbietung der beiden Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Woody Harrelson. Die Geschichte der ersten Staffel ist nach acht Folgen abgeschlossen. Schade eigentlich…
Für den Soundtrack zeichnete T-Bone Burnett verantwortlich, womit den Musikkennern klar sein dürfte, dass die Auswahl zur Beschallung der Serie nicht einer gewissen Klasse entbehrt. Bereits der Vorspann lies mein Herz regelmäßig hüpfen, hat der gute T-Bone dafür doch die Hammernummer „Far From Any Road“ der Chicagoer Alternative-Country-Größen The Handsome Family aus dem Album „Singing Bones“ (2003, Loose Music) ausgewählt, eine Platte, die ich jedem Fan des Genres wärmstens ans Herz legen möchte, so wie uneingeschränkt jede Veröffentlichung der Band seit dem grandiosen Erstling „Odessa“ aus dem Jahr 1994 (Carrot Top).

Reingehört

meredith monk KULTURFORUM MÜNCHEN www.gerhardemmerkunst.wordpress.com

 
Bruce Brubaker, Ursula Oppens – Meredith Monk Piano Songs (2014, ECM New Series)
Minimalistische Klavierstücke der New Yorker Komponistin. In gewohnt exzellenter ECM-Qualität (*****)

Protomartyr – Under Color Of Official Right (2014, Hardly Art / Cargo Records)
Ami-Postpunk aus Detroit. Der Vergleich zu „Entertainment!“ von Gang Of Four drängt sich gelegentlich auf. Treibend, energiegeladen. Im August im Ampere. (****)

Simone Felice – Strangers (2014, Team Love / Indigo)
Hat sich beim Vorgänger leider schon stellenweise angedeutet: jetzt wird es mainstreamig. Schade. Konzertant hoffe ich weiter auf ihn. Am 07.05. im ‚Unter Deck‘ (***)

Malawi Mouse Boys – Dirt Is Good (2014, Irl / Rough Trade)
Afrikanischer Gospel aus Malawi. Wunderschön, wie auch die Vorgängerscheibe ‚He Is #1‘ (**** 1/2)

The Afghan Whigs – Do To The Beast (2014, Sub Pop / Cargo Records)
Greg Dulli reaktiviert sein Mutterschiff. Comebackscheibe nach 16 Jahren. Anfangs noch etwas dröge, ab ‚It Kills‘ groovt der zentnerschwere Rock/Grunge/Soul-Mix aber wie in alten ‚Gentlemen‘- und ‚Black Love‘-Zeiten. Genehm. (****)

T-Bone Burnett – Tooth Of Crime (2008, Nonesuch / Warner)
Schlafmittel (**)