The Third Sound – Gospels Of Degeneration (2016, Fuzz Club)
Gegründet vom isländischen Frontmann Hakon Aðalsteinsson, zwischenzeitlich in Rom ansässig, mittlerweile vor einigen Monden nach Berlin übergesiedelt und dort in einer Kaschemme offensichtlich dem Geist der Bad Seeds über den Weg gelaufen.
Einiges an Personal aus der Tour-Band von Tess Parks und Anton Newcombe tummelt sich auch auf dem neuen Album von The Third Sound, Newcombe verpflichtete die Band vor einigen Jahren als Support für eine Europatournee seine Stammformation The Brian Jonestown Massacre und gab helfende Hand bei der Produktion der ersten beiden Alben der Band. Tess Parks brilliert auf dem aktuellen Album beim Duett-Gesang im Stück „You Are Not Here“, was der Nummer nicht zu überhörende, uneingeschränkte Cave-/’Murder Ballads‘-Qualitäten verleiht.
Ansonsten glänzt das neue Third-Sound-Werk durch beseelten, treibenden, großartigen, ab und an schwer scheppernden Garagen-Rock und schimmernde Psychedelic mit dunkel-düsteren, atmosphärischen Desert-/Country-Blues-Beigaben, die jedem Freund des leider längst dahingeschiedenen Gun Clubs und der Beasts Of Bourbon die Freudentränen in die Augen treiben. “Ebbing between light and dark, dream and reality, pop and experimentalism, ranging from hypnotic soundscapes to tweaked out and fuzzed up numbers.”
Feine Sache, das.
(*****)
(01) And So I Watch You From Afar @ Ampere, 2015-05-23
War bereits im Frühjahr offensichtlich, dass der Auftritt schwer zu toppen sein wird. Die nordirische Band, die auf Tonträgern seltsamerweise eher weniger überzeugt, zog konzertant alle Register des Post- und Prog-Rock. Hat die Nase natürlich auch deshalb hauchdünn vorne, weil der Robert, der Anton, der Wojciech und ich unverhofft in einer Doku von ‚Delayed Cinema!‘ über die Band zu Kurzauftritten kamen. Noch nicht Hollywood, aber immerhin… ;-)
(02) Godspeed You! Black Emperor @ Freiheiz, München, 2015-04-09
Nochmal sechs Sterne für die Gattung Postrock: Weit über 10 Jahre haben wir in München warten müssen, bis die kanadische Speerspitze des Genres sich wieder die Ehre gab, im April wurde die elendigliche Warterei fürstlich belohnt.
(03) Great Lake Swimmers @ Hauskonzerte, München, 2015-10-04
Kanada, die zweite: Mehr Holzveranda-/Lagerfeuer-Seeligkeit geht nicht als in der Live-Präsentation des Rundumglücklich-Folk-Pakets der Great Lake Swimmers aus Toronto/Ontario.
(04) Hochzeitskapelle + Thisell @ Maximiliananlagen, München, 2015-08-03
Mundpropaganda-Konzert, auf die Beine gestellt von innen.aussen.raum: Ein perfekter Sommerabend und vielleicht das schönste Open Air seit Jahren, dank herrlichem Sommerwetter, einem wunderbaren Flecken Grün an der Isar, einigen gekühlten Bieren und zwei Musik-Kapellen der Sonderklasse: der Notwist-/Zwirbeldirn-Ableger Hochzeitskapelle und der schwedische Ausnahme-Folker Peter Thisell mit seinen hochsympathischen Begleitern. Die musikalische Krönung eines Jahrhundert-Sommers, nicht weniger.
(08) Steve Wynn @ Südstadt, München, 2015-02-28
Die Dream-Syndicate-Legende und eine Gitarre, mehr braucht es nicht für einen rundum gelungenen Konzert-Abend im ‚Südstadt‘. Und wenn dann auch noch der Publikumswunsch Gehör findet…
(13) Sleaford Mods @ Hansa39, München, 2015-04-28
Der hingerotzte Elektro-Punk aus Nottingham hat im Vorfeld nicht zuviel versprochen. Andrew Fearn und Jason Williamson halten die Fahne der Arbeiterklasse hoch und das Genre am Leben.
(18) Ryan Lee Crosby + Thisell @ Klienicum Hauskonzerte, Ampfing, 2015-03-16
Eike vom Klienicum-Blog und seine bezaubernde Frau Katrin haben in die gute Stube eingeladen und nebst exzellenter Verköstigung einen feinen musikalischen Doppelpack präsentiert: den schwedischen Folker Thisell, den wir im Sommer nochmals im Freien genießen durften, siehe oben, sowie den amerikanischen Blues-Musiker Ryan Lee Crosby, der den depperten Spruch widerlegte, nach dem der weiße Mann keinen Blues singen könne…
(20) Eric Pfeil @ Südstadt, München, 2015-06-16
Kaum jemand beherrscht die mit feinsinnigen Pointen gewürzte deutsche Liedermacherei lakonisch-relaxter als der Rheinländer Eric Pfeil.
Das Schlusswort zum Konzertjahr 2015 soll dem Mafioso gehören, der vor kurzem seinen 100. Geburtstag feierte (wo auch immer) – „It was a very good year!“:
Den launigen Abend am vergangenen Donnerstag im Münchner ‚Strom‘-Club eröffnete der ortsansässige Songwriter Manu mit einigen Eigenkompositionen, die beim aufgeschlossenen Publikum durchaus auf Gegenliebe stießen. Der junge Musiker bestach durch feines, beherztes Gitarrenspiel, seine latent ins verzweifelt-melancholisch abdriftenden Songwriter-Perlen unterlegte Manuel Stübinger, wie der Münchner im schnöden Alltag heißt, mit warmherzigem Gesang, der mich wiederholte Male an die Sangeskünste David Steinharts erinnerte, dem Vorsteher der längst dahingeschiedenen kalifornischen Jangle-Pop-/Folk-Rock-Band ‚Pop Art‘, die Kenner des Genres vor allem wegen ihrer 1986er-Scheibe ‚Long Walk To Nowhere‘ (Stonegarden, in unseren Landen glaub ich auf ‚Line Records‘ erschienen, wenn ich mich recht entsinne) und im Speziellen mit der dort enthaltenen, herzerweichenden Ballade ‚Relatives‘ zu schätzen wussten. Kritiker bezeichneten die Band damals als kalifornische Antwort auf die New-England-Combo Miracle Legion, beide Bands kennt heute wahrscheinlich kaum mehr wer, ein Zustand, der sich für den jungen Münchner Songwriter Manu hoffentlich mit zunehmender Anzahl an Auftritten bald ändert, über das nötige Talent verfügt der Musiker allemal, der nach eigenen Worten Sangeskollegen wie Bob Dylan, Damien Rice, Bon Iver und John Mayer zu seinen Einflüssen zählt. Nicht die schlechtesten Referenzen, wie mir scheint…
(****)
„lo-fi alternative drones with a hypnotic vibe“ (Tess Parks über Tess Parks)
Und dann kam der Jungbrunnen. Die folgende Nummer, die die kanadische Chanteuse Tess Parks und ihr begnadeter Mitstreiter, der kalifornische Songwriter und Multi-Instrumentalist Anton Newcombe, im Haupterwerb Vorsteher der San-Francisco-Psychedelic-Indie-Kultband The Brian Jonestown Massacre, auf die Bretter des ‚Strom‘ stellten, lies Erinnerungen wach werden an bunte Abende aus längst vergangenen Zeiten im Circus Gammelsdorf, in der Unterföhringer Theaterfabrik, im Augsburger Bootleg, beschallt vom Soundtrack jener Zeit, My Bloddy Valentine, The Jesus And Mary Chain, Ride, Chesterfield Kings, den verzerrten Gitarren der Hüsker-Dü-Klassiker, Fuzz-Gitarren-Prä-Grunge der New Yorker Das Damen, was weiß ich nicht noch alles, all das schwang mit im Sound des Duos, das an dem Abend von weiteren vier Musikern an Gitarren, Drums und Korg begleitet wurde und einem alten, griesgrämigen Sack wie mir das Lächeln ob der Erinnerung an die Hochzeiten des Psychedelic-Indie-Geschrammels ins Gesicht zauberte.
Die junge Kanadierin Tess Parks besang den von Newcombes verzerrter Gitarre dominierten, mitunter die ersten beiden Velvet-Underground zitierenden Klangteppich mit ihrer betörenden Mischung aus düster-abgebrühtem Lydia-Lunch-Underground und der dunklen stimmlichen Erotik einer Hope Sandoval, ihr Spacemen-3-T-Shirt passte selbstredend als Textil wie A… auf Eimer zum musikalischen Rahmen des Abends, ebenso ihr magersüchtiger Kate-Moss-Heroin-Chic (Mädel, iss mal wieder was Vernünftiges!) und der Umstand, dass die gute Tess vor ein paar Jahren in ihrer Londoner Zeit eine Liaison mit dem legendären Creation- und Poptones-Labelchef Alan McGee einging.
Ein höchst überraschend-angenehmer Abend, lies der vor kurzem erschienene, in Berlin eingespielte Tonträger ‚I Declare Nothing‘ (2015, A Records / Cargo Records) der beiden mit seiner trägen Rhythmik, dem schleppenden Düstergesang, der atmosphärisch-schwelenden Melodien-Monotonie und den bezaubernden Dreampop-Reminiszenzen nicht unbedingt auf einen derart beherzten, soundverzerrten Indie-Psychedelic-Ausbruch hoffen.
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