The Bevis Frond

The Bevis Frond + Nektar @ Backstage Club, München, 2015-10-02

Prog-/Psychedelic-Rock-Rundum-Glücklich-Paket gab es am vergangenen Freitag im Backstage, den Stromgitarren-geprägten Abend eröffneten die Progressive-/Hard-Rocker der Band Nektar, die 1969 von vier Briten in Hamburg gegründet wurde und von der immerhin noch Sänger/Gitarrist Roye Albrighton und Trommler Ron Howden mit an Bord sind.
Die Musiker ließen sich in ihrer frühen Phase in einem Haus im Ober-Beerbacher Tal in Süd-Hessen nieder und wurden deswegen oft irrtümlich als deutsche Band gehandelt bzw. mit der Krautrock-Szene in Verbindung gebracht – Rock-Musik aus Deutschland war damals zwangsläufig Krautrock, egal, ob von Can oder den frühen Scorpions unters Volk gebracht.
Die Musiker, die teilweise seit über 40 Jahren auf den Bühnen dieser Welt zugange sind, hatten sichtlich Spaß an ihrem imposanten Klangbild, der Eröffnungs-Set des Abends hatte keinerlei Vorprogramm-Charakter, die Band ging mit 90 Minuten zur Freude des Publikums über die volle Distanz. Im Gruppenverbund ergänzt wurden die beiden Urmitglieder von einem jungen, druckvoll aufspielenden Basser namens Lux Vibratus und dem deutschen Keyboarder/Organisten Klaus Henatsch (ex-Jane), der mit seinem schweren, progressiven Hammond-Georgel nach dem Ableben von Jon Lord einer der letzten seiner Art sein dürfte, überhaupt hat der Sound des Konzerts über weite Strecken angenehme Erinnerungen an den harten Siebziger-Jahre-Rock der legendären Deep-Purple-MarkII-Besetzung wachgerufen.
Ich muss gestehen, ich war im Vorfeld alles andere als der große Nektar-Experte (hab die auch für eine deutsche Krautrock-Band gehalten), dankenswerter Weise war my good Concert-Buddy Anton zum fundierten Briefing anwesend und so bin ich nicht wie der totale Depp vor der Bühne rumgelungert. Irgendwann stand Bevis-Frond-Mastermind Nick Saloman neben uns und hat anerkennend zum Sound von Nektar genickt (gut, macht er als Nick natürlich immer ;-)) und spätestens da war klar, dass die alten Haudegen nach wie vor spannende musikalische Kost zu bieten hatten.
(**** ½ – *****)

Den zweiten Teil des Abends beschallten dann The Bevis Frond mit ihrem ureigenen Mix aus melancholischem Psychedelic-Folk-Rock und harten Progressive-Gitarrenwänden, Meister Saloman ist als einzige personelle Konstante der Combo mit seinem Projekt auch schon nahezu 30 Jahre im Geschäft. Neben diversen Klassikern aus der langen Bandhistorie wie dem Mini-Hit „Lights Are Changing“ – der jeder LP aus der Frühphase der Byrds zur Ehre gereicht hätte – präsentierte das Quartett Werke aus dem dieser Tage beim Band-eigenen Woronzow-Label veröffentlichten neuen Album ‚Example 22‘, das die gewohnt schweren Indie-Space-Rock-Broken bietet, wie immer veredelt durch Nick Salomans singendes, grandioses, oft in langen Solis ausuferndes Gitarrenspiel, das in der Intensität allenfalls mit den heftigen Geschützen von Dinosaur-Jr-Vorsteher J Mascis vergleichbar ist.
Mit dem ehemaligen Hawkwind-Bassisten Adrian Shaw – 1977 für ein paar Jahre der Nachfolger vom Nachfolger von Lemmy Kilmister bei der englischen Space-Rock-Institution – hat Saloman einen würdigen Langzeitpartner an seiner Seite in Punkto musikalischer Geistesverwandtschaft gefunden, Gitarrist Paul Simmons und Drummer Dave Pearce sind mittlerweile auch schon etliche Jahre an Bord, und so durften wir am Freitagabend eine gut eingespielte Combo in ihrer ganzen psychedelischen Pracht über die volle Konzert-Länge erleben, nachdem der letzte Münchner Auftritt der Band im Sommer 2013 im Substanz zwecks Ruhebedürfnis der Nachbarschaft um kurz nach 22 Uhr nach einer knappen Stunde Spielzeit beendet wurde, wo’s gerade am Schönsten war, Nick Saloman konnte sich den sarkastischen Hinweise seinerzeit nicht verkneifen, für die Band wäre das sowas wie eine eher ungewohnte Nachmittags-Matinee gewesen…
Eine Laune machende Zeitreise war es, das Doppelpack am Freitagabend, bei dem jede Band jeweils für sich allein bereits den Eintrittspreis gerechtfertigt hätte, klassischer 70er-Space-/Prog-/Psychedelic-/Hard-Rock, der in der Form völlig aus der Zeit gefallen ist, und das Schöne daran: dieser Umstand war so ziemlich jedem Anwesenden in der Halle, der mit dem Sound musikalisch sozialisiert wurde (also fast alle) herzlich egal… ;-))
(**** ½ – *****)

Lost & Found (2)

the bevis frond / nick saloman

The Bevis Frond – Vavona Burr (1999, Flydaddy Records)
Die Londoner Band um Gitarrist und Songwriter Nick Saloman glänzt auf diesem Album – wie auf so vielen anderen – mit ihrer ureigenen melancholisch-melodischen Spielart des Psychedelic-Indie-Rock, der sich hier die Waage hält zwischen getrageneren Balladen und zupackend-euphorischem Song-Material, bei dem Saloman wiederholte Male seine Geistesverwandtschaft zum ausladenden, melodischen Stromgitarren-Genöle von Dinosaur-Jr-Vorsteher J Mascis sowie zum energischen Garagen-Trash der leider inzwischen aufgelösten Seattle-Kapelle Dead Moon um das Ehepaar Toody und Fred Cole erkennen lässt.
Enthält mit „Couldn’t Care Less“ einen der gelungensten, mir bekannten akustischen Stinkefinger in Richtung verflossener Liebschaften aus der wundersamen Welt der Rockmusik.
Beim Durchhören der ollen Kamellen steigert sich die Vorfreude immens auf das anstehende Bevis-Frond-Konzert am 2. Oktober im Münchner Backstage, vielleicht wird dann auch wieder der Ex-Hawkwind-Musiker Adrian Shaw an der Bassgitarre zugange sein…
(**** ½)

The Schramms – Walk To Delphi (1989, Okra / Normal Records)
Der aus Long Island/New York stammende Dave Schramm dürfte den Musikinteressierten am ehesten durch sein Mitwirken bei diversen Yo-La-Tengo-Frühwerken (Ride The Tiger, Fakebook) bekannt sein, 1989 veröffentlichte er mit seiner eigenen Band The Schramms auf dem ‚Walk To Delphi‘-Debüt eine wunderbare Sammlung aus ergreifenden Instrumentals und hochmelodischen Songs, die sich fein ausgewogen im Feld Alternative Country/Americana/Folk Rock bewegen und vor allem durch die sonore Stimme Schramms ihren speziellen Charme entfalten. Es folgten weitere drei Band- und zwei Solo-Alben („Folk und die Folgen“) in den neunziger Jahren, wenngleich ordentliche Produktionen, sollten sie nie mehr die Qualität und den Tiefgang des Erstlings erreichen.
Nach Auflösung der Band, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit in Europa als in der Heimat erfuhr, arbeitete Dave Schramm in späteren Jahren als Studiomusiker für die Replacements, Syd Straw, Richard Buckner und Chris Stamey.
Auf der im kommenden Herbst stattfindenden Europatournee von Yo La Tengo wird Dave Schramm die Band erneut begleiten. In unseren Gefilden wird das lediglich in Berlin (27.10. Heimathafen) und Köln (28.10. Kulturkirche) zu bestaunen sein.
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