The Devil’s Trade

Reingehört (486): The Devil’s Trade

The Devil’s Trade – What Happened To The Little Blind Crow (2018, Golden Antenna Records)

„Happy Music Is Shit!“ ließ Dávid Makó vor knapp zwei Jahren im Rahmen seines Vorprogramm-Auftritts für die englische Progressive-Institution Crippled Black Phoenix in der Münchner Kranhalle als Statement zu seinem eigenen Schaffen verlauten, dieser Devise bleibt er auch auf seinem demnächst zur Veröffentlichung anstehenden neuen Tonträger „What Happened To The Little Blind Crow“ treu.
Der ehemalige Sänger der ungarischen Doom-Metal-Band Stereochrist tummelt sich hinsichtlich Thematik und Stimmungsbild weiterhin zu vorgerückter Stunde in der finsteren Seelen-Nacht, in der es laut F. Scott Fitzgerald immer drei Uhr morgens ist. Der Handel mit dem Teufel ist ein ernsthafter, tiefgründiger und fundamentaler, bei dem jeder Verlust herzergreifend beklagt und das Schwanken zwischen Hoffen und Bangen mit entsprechend rauer, dunkler Bariton-Stimme emotional kommentiert wird – einem charakteristischen, höchst individuellen Sanges-Organ, das im letzten Nachschwingen der jeweiligen Vers-Zeilen zwar ab und an etwas überdehnt hinsichtlich pathetischer Ergriffenheit, trotzdem in seiner melancholischen Tiefe und seinem mit Herzblut vorgetragenem Grollen jederzeit schwer zu beeindrucken weiß. Das Banjo und die Halbakustische im rohen, unbehandelten Anschlag unterstreichen die Gemeinsamkeiten der Appalachen- und der Karpaten-Folklore, wer hätte gedacht, dass Americana und Southern Gothic auch fernab der amerikanischen Prärien, Sümpfe und Highways in der Donau-Metropole Budapest ihren geheimnisvoll-dunklen Zauber entfalten und das lakonische Scheppern und Zupfen des Bluegrass-Instrumentariums die finsteren Geister des Blues und Country Folk zu beschwören verstehen?
Wem das unsägliche Electronica-Gefrickel von Mark Lanegan (inklusive seiner leider auch ziemlich belanglosen und urfad vor sich hinplätschernden neuesten Zusammenarbeit „With Animals“ mit Duke Garwood) zusehends mehr auf den Zeiger gehen oder wer im Wovenhand-Werk keinen Ersatz für die Arbeiten von David Eugene Edwards‘ Vorgänger-Combo 16 Horsepower findet, der- oder demjenigen sei der Griff zum neuen Album von The Devil’s Trade schwerstens ans Herz gelegt.
Der Folk von Dávid Makó bleibt eine zutiefst ernsthafte, erschütternde und kompromisslose Angelegenheit, Bierzelt-Geschunkel, Decemberists-Mainstream-Irrelevanz und ätherischer Elfengesang ist anderswo.
„What Happened To The Little Blind Crow“ ist ab 28. September über Golden Antenna Records und den Broken-Silence-Vertrieb im Fachhandel zu haben.
(*****)

Werbung

Crippled Black Phoenix, Publicist UK, The Devil’s Trade @ Kranhalle, München, 2016-12-14

Den ersten dicken Pluspunkt haben Crippled Black Phoenix bereits weit vor Anschlag des ersten Gitarrentons mit der Zusammenstellung des Eröffnungsprogramms für die diesjährige Konzertreise eingefahren, was das britisch-schwedische Progressive-Kollektiv dahingehend an Gästen im Rahmen der aktuellen „No Fun Winter Tour 2016 AD“ aufbot, Hut ab, das war aller Ehren wert.
Den Reigen eröffnete am Mittwoch tatsächlich sehr zeitnah zur angekündigten, ungewöhnlich frühen Anstoßzeit um 19.30 Uhr in einer bis dahin erst spärlich gefüllten Kranhalle ein wuchtiger junger Mann aus Budapest namens Makó Dávid, der sein Ein-Mann-Band-Projekt The Devil’s Trade benennt und sein Motto „Happy Music is shit!“ überzeugend auf die Bühnenbretter bringt. Hätte sich der Musikant mit dem beeindruckenden Schnauzbart nicht als Ungar zu erkennen gegeben, man hätte ihn unbesehen als Vertreter des amerikanischen Muddy-Roots-Underground durchgehen lassen, sein Acoustic-Blues- und Dark-Americana-Vortrag zeugte von Erdung, tief empfundenen emotionalen Regungen aus den finsteren Gegenden der Seele und feinem musikalischem Können, massiv vorgetragen mit beherztem Saitenanschlag und einer tiefen, raumfüllenden Stimme, die höchsten Straßenmusiker-Ansprüchen gerecht wurde. Man hat lange keine so beseelte Version vom Folk-Gospel-Klassiker „Wayfaring Stranger“ mehr vernommen, das eigenkomponierte Songmaterial des hauptberuflichen Sängers der Metal-Band Stereochrist wusste nicht minder zu überzeugen, und selbst durch ungarisch vorgetragenes Volksliedgut wurde das aufmerksame Publikum vom Musiker sicher geleitet, „it’s like Folksongs everywhere, always about Love and War“, worauf ein aufgeweckter Zwischenrufer aus dem Publikum mit seinem „Love is War!“-Statement die Steilvorlage verwertete und für den Lacher des Abends sorgte.
The Devil’s Trade würde auch beim alljährlichen Muddy Roots Europe perfekt ins Bild passen und allemal mehr Laune machen als die gefühlt neunte Bluegrass-Band am Stück…
(**** ½ – *****)

Den Mittelteil des Konzertabends am vergangenen Mittwoch bedienten vier junge Amerikaner mit ihrer Band Publicist UK, das Konglomerat aus Achtziger-Jahre-verhaftetem Postpunk, circa Associates mit losgelöster Handbremse und den naheliegend-üblichen Joy-Division-Beigaben, schneidenden Shoegazer-Gitarren und einem Pfiff Gothic-Düsternis, gepaart mit dem erratischen Bühnengebaren des Frontmanns Zachary Lipez und einem sicheren Gespür für kalte Großstadt-Melodik, ergab eine unterhaltsame Mixtur, die in Referenz zu alten Helden der New-Wave-Ära nichts grundlegend Neues bot, aber in ihrem energetischen Vortrag von hohem Unterhaltungswert war und die Band in eine Liga mit den in vergangenen Jahren hochgelobten Protomartyr oder den früher irgendwann mal guten Editors katapultierte.
(**** – **** ½)

Top five (5) misconceptions about CBP
1. CBP are a Bristol band.
2. CBP are a Mogwai/Portishead side-project.
3. CBP are „post-rock“
4. CBP are a „collective“
5. CBP stands for „Crippled Bastard Phoenix“/“Crippled Back Penis“/“Canadian Border Patrol“.
6. There are five (5) misconceptions about CBP

Das sind Crippled Black Phoenix also alles nicht, sie sind vielmehr wie Motörhead, nicht, was die stilistische Ausgestaltung der Beschallung betrifft, Gott bewahre, aber das Konzertgänger-Volk weiß bei der Band im Vorfeld wie seinerzeit bei Kilmister und Co, was es an musikalischer Kost vorgesetzt bekommt, da gibt es keine Überraschungen. Wer drauf steht, geht immer wieder hin, wer nicht, bleibt halt daheim oder vergnügt sich anderweitig. „Burnt Reynolds“ ist „Ace Of Spades“ und Justin Greaves ist Lemmy, so ungefähr.
Was das Band-Lineup betrifft, geht’s bei CBP zu wie beim bayerischen Volkstanz, ein munteres Austauschen und Durchwechseln hat bereits gute Tradition, in diesem Jahr zeigten sich neue Gesichter an Keyboard und Bass, die leider derzeit abwesende, bezaubernde Daisy Chapman an den Tasten ist aktuell in Elternzeit, somit fiel der ergreifende „Of A Lifetime“-Vortrag heuer flach, ein Stück im Original von den unsäglichen US-Softrockern Journey, im CBP-Gewand jedoch ein immer gern genommenes Sahnestück, dafür gab’s ersatzweise als obligatorische Coverversion „Turn To Stone“ vom auch ziemlich grenzwertigen Joe Walsh in einer überbordenden Aufführung inklusive Gastgesang des Devil’s-Trade-Artisten.
Crippled Black Phoenix bot die gewohnt gute bis sehr gute Kost an intensivem, modernem Prog-Rock, dunkler Neo-Psychedelic und dem ein oder anderen, von Meister Greaves eingestreuten Postrock-Gitarrenlauf, die vielzitierten „Endzeitballaden“ eben, mit Werken wie „Rise Up And Fight“, „Long Live Independence“, „We Forgotten Who We Are“ oder der eingangs erwähnten, finalen Mitmach-Nummer „Burnt Reynolds“ brannte die Band ein beim geübten CBP-Publikum bekanntes und geschätztes Feuerwerk an bewährten Live-Klassikern ab, ein neues Album hat das (Nicht-)Kollektiv auch am Start, entsprechend gut bestückt war die Setlist mit Nummern der jüngst erschienenen „Bronze“-Scheibe (2016, Season Of Mist), der „The Resurrectionists“-Klassiker „Song For The Loved“ wurde explizit den Menschen der syrischen Stadt Aleppo gewidmet, die Band hatte den zum Hauptact vollbesetzten Kranhallen-Saal mit ihrer Kernkompetenz als bewährt-gestählte Konzert-Experten wie gehabt von Minute eins an mittels opulenter Klangorgie im Griff und an ihrer Seite wissend. Man sieht sich vermutlich wieder im nächsten Jahr, wenn es dann erneut von der Bühne schmettert „We are Motörhead and we play…“, halt, Blödsinn, das waren ja die anderen… ;-)))
(*****)