Thøger T. Lund

Giant Sand + Patsy’s Rats @ Hansa39, München, 2018-05-28

Bleibt alles in der Familie: Bevor Howe Gelb und das aktuelle Line-Up seiner Tucson/Arizona-Institution Giant Sand am Montagabend die Münchner Feierwerk-Hansa39-Bühne enterten, spielte Tochter Patsy zusammen mit dem Mean-Jeans-Frontmann Christian Blunda aka Billy Jeans plus Rhythmus-Abteilung-Verstärkung den Warm-Up-Gig zur Einstimmung des bis dahin noch spärlich anwesenden Publikums, und was Anheizen anbelangt, haben Patsy’s Rats mit einer Handvoll Songs dann auch vom Start weg für ordentlich Schwung gesorgt und ganze Arbeit geleistet. Das Indie-Power-Pop-Schrammeln der Band wusste ordentlichst zu überzeugen, die flotten Drei-Minuten-Gassenhauer hatten Punk- wie Pop-Appeal, die Trommeln schepperten, die Gitarren jaulten und schrammten am oberen Tempo-Level, griffige Melodien trafen auf Rock-and-Roll-Energie und jugendliche Unbeschwertheit, wunderschön garniert mit Patsy Gelbs lieblichem Gesang. Wer Einflüsse von C86-Indie-Pop, den Shop Assistants, den Ramones und der ein oder anderen halbwegs tauglichen Garagen-Trash-Combo in der musikalischen Sozialisation der jungen Leute vermutete, war gewiss nicht völlig auf dem Holzweg, und dahingehend gab es beileibe nichts Verwerfliches. Das haben auch die Sucht-Lungen vor dem Feierwerk irgendwann vernommen, ab da ging’s dann mit dem verdienten Halle-Füllen rapide vorwärts.
Ordentlich Rumpeln und Gitarre-Schrubben durfte auch sein, in der H39-Halle waren nicht wenige anwesend, denen die ausgiebige Löwen-Aufstiegsause vom Vortag im schönen Giesing and elsewhere noch in den müden Knochen steckte, nach der knackigen Uptempo-Vollbedienung des jungen US-Quartetts sollten dann zu fortgeschrittener Stunde endlich alle wach gewesen sein.
Alles richtig gemacht beim Feiern am Vortag – und im Hause Gelb in Sachen musikalische Früherziehung beim Nachwuchs sowieso.

Giant Sand live, was hat man schon alles erlebt in vergangenen Jahrzehnten mit Desert-Rock-Grandseigneur Howe Gelb und den Seinen: Ausfransendes, sich im Nirgendwo der Wüste verlierendes Bar-Jazz-Geklimper, erratische Alternative-Country-Nebenflüsse und Rinnsale aus verfremdetem Roots-Rock-Gefrickel, seltsame „Erosion Rock“-Americana, der Soundtrack für unwirtliche Wüstenlandschaften, deren Dürre und Kargheit sich auch im Klangbild widerspiegelte, am vergangenen Montag richteten sich die sodann auch keineswegs enttäuschten Erwartungen indes auf stringenten Prärie-Rock, war doch als Motto des Abends „Giant Sand Returns To Valley Of Rain“ angezeigt, „playing the first album in full“, alles auf Anfang mit kompletter Live-Präsentation des Desert-/Indie-Rock-Debüt-Klassikers aus dem Jahr 1985.
Back to the roots, das hat sich bereits vor ziemlich genau drei Jahren beim letzten Münchner Giant-Sand-Konzert angedeutet, wieder straightere Songs im Geiste der Band-Anfänge nach Jahren des Ausprobierens und solistischen Hacken-Schlagens, wenig bis kein Platz mehr für das sprunghafte, ab und an konzeptlos wirkende Free-Flow-Experimentieren, hingegen „Valley Of Rain“ als den Saal im Sturm nehmender, vehementer Desert-Rock-Gigant, den Howe Gelb mit Unterstützung von ex-Dylan-Drummer Winston A. Watson, Desoto-Caucas-Basser Thøger T. Lund, Langzeit-Spezi Gabriel Sullivan und der jungen Gitarristin Annie Dolan – letztere bereits am Bass im Vorprogramm zugange – entfachte. Die Songs haben auch nach 33 Jahren nichts von ihrem Zauber verloren, die Band garnierte getragen von drei jaulenden, heulenden, dem Wüstenwind gleichen Gitarren ihren Prärie-Sound euphorisch entfesselt mit toughen, melodischen Paisley-Underground-Reminiszenzen an längst vergangene Tage und vor allem einem voluminösen, griffigen Punk-Blues-Drive, der in der Güte zuletzt bei Konzerten des legendären, leider auch längst den Weg alles Irdischen gegangenen Gun Club dem geneigten Volk um die Ohren geblasen wurde. Gabriel Sullivan legte wohl ob der Freude über wesentlich mehr Zuschauerzuspruch als zu seinem letzten München-Gastspiel eine Spur zuviel an Enthusiasmus in seinen hart rockenden Gitarren-Anschlag und wurde mit gerissener Saite zum zwischenzeitlichen Party-Crasher durch minutenlanges Verschwinden in den Backstage-Bereich zwecks Instrument-Reparatur – Ersatz-Klampfe wäre zu der Gelegenheit eine Idee – der Stimmung im Saal tat es gleichwohl kaum Abbruch, die Band durfte sich für den ansonsten grandios überwältigenden Vortrag zurecht feiern lassen, wenn auch drei Zugaben on top zur Debüt-Album-Präsentation hinsichtlich Konzertdauer ziemlich mager ausfielen, immerhin bequemten sich Howe & Co durch schwerst animierte Publikums-Penetranz nach Anstarten der Saal-Beschallung aus der Konserve nochmals zu einem finalen Antanzen.
Ungefähr bestes Giant-Sand-Konzert seit Erfindung des Grand Canyons.

Die Legende will wissen, dass Howe Gelb seinerzeit bei den finalen Arbeiten am ersten Album die klanglichen Möglichkeiten des Fender 30 Röhrenverstärker entdeckte, mit maßgeblichem Einsatz dieser Gerätschaft spielten Giant Sand ihr Debüt-Album vor Tour-Start in aufgepeppten Sound gewandet neu ein, „Returns To Valley Of Rain“ erscheint am 20. Juli bei Fire Records.

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