Trotz weiterhin tropischer Temperaturen meldet sich auch die Veranstaltungsreihe Maj Musial Monday aus der Sommerpause zurück, die von den Münchner Musikern Josip Pavlov und Chaspa Chaspo organisierte Do-It-Yourself-Serie für Indie-, Post-, Experimental-, Noise-Rock, Artverwandtes und Multimedia-Installationen präsentierte am vergangenen Montag im Saal der Glockenbachwerkstatt ein deutsch-französisches Doppelpack, das ein denkbar weites Feld an experimenteller Musik absteckte.
Den Auftakt des Abends bespielte ein junges Münchner Duo namens Bosch, über die Musiker ist kaum Informatives im Netz zu finden, die facebook-Seite der Formation lässt immerhin folgendes verlauten: „Bosch sind zwei Menschen, Gitarre, Synthesizer, Looper, Drummaschine, Bohrmaschine und eine Gießkanne“. Die Blech-Gießkanne wurde Sound-begleitend sporadisch mit Schlagwerk und einer Bohrmaschine (schwer vermutlich aus dem Hause Bosch) malträtiert und musste so für erratische Neubauten-für-Arme-Attacken herhalten, im Wesentlichen ergingen sich die beiden jungen Klangtüftler in einer Electronica-Spielart des Kraut-Rock, der für die klanglichen Schönheiten des Elektro-Pop und die Monotonie des Industrial jederzeit eine offene Flanke bot. Geloopte, überlagernd geschichtete Sequenzen, der stoische, Bass-lastige Anschlag des Drum-Computers im immergleichen Beat und prächtige Synthie-Melodien fügten sich zu einem abstrakten, angenehmen Klangbild, das seine willkommene Erweiterung in den begleitenden, gelegentlichen Shoegazer-Gesängen und Riffs des Gitarristen erfuhr, der Saiten-Anschlag bereichernd zwischen lärmendem Indie-Rock, Schuhglotzer-Verspieltheit und fließenden, griffigen Postrock-Phrasierungen. Eine zu weiten Teilen abstrakte Video-Installation im Großbild-Format verstärkte die Klang-Effekte des synthetischen Elektronik-Space, der sich quasi als Neu! in neu gerierte, gepaart mit einer Verneigung vor den Kraut/Synth-Pop-Pionieren von Kraftwerk, wobei die beiden jungen Münchner das Spannungslevel beim Ambient-verwandten Verloren-gehen in der gefühlten Endlos-Schleife etwas länger oben zu halten wussten als die berühmten Monotonie-Pioniere aus Düsseldorf mit ihren repetitiven Klangskulpturen.
Ohren-schmeichelnder, das Zappeln fördernder, gefälliger Elektro-Flow. Und irgendwann klappt das auch mit der Integration der Bohrmaschine ins Gesamt-Klangbild.
Weitaus fordernder für die Hörerschaft präsentierte sich die Improvisationskunst der drei französischen Klang-Forscher des Jazzcore-Projekts Toc aus der flandrischen Hauts-de-France-Hauptstadt Lille. „Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann“ hat der Klinsi einst grammatikalisch holprig zum Besten gegeben, gleiches gilt für die frei fließende und agierende Hardcore-Spielart des Avantgarde-Jazz von Fender-Rhodes-Keyboarder Jérémie Ternoy, Drummer Peter Orins und Gitarrist Ivann Cruz, die wohl vor allem darum als Jazz bezeichnet wird, weil sich nahe liegend nichts anderes als Entsprechung aufdrängt im eingangs völlig von Strukturen losgelösten Musizieren des Trios, dabei offenbarte der Vortrag im weiteren Verlauf so vieles mehr an stilistischen Finessen von intensiven Noise-Attacken über hypnotischen Kraut- und Psychedelic-Flow bis hin zu harten Progressive- und Post-Rock-Anwandlungen.
Die Formation startete, wie eine Freejazz-Formation gemäß bösen Zungen immer startet: Jeder spielt, was er lustig ist und was ihm spontan in den Sinn kommt, Hauptsache, es fügt sich nicht passend in den Vortrag der Mitmusiker. Parallelwelten-/Autisten-Lärm, sozusagen: Jeder lebt in seiner eigenen Welt, aber meine ist die Richtige. Aus der Kakophonie aus hypernervösem, stakkato-artigem High-Speed-Getrommel, erratischen, völlig unkonventionellen und unmelodischen Gitarrenriffs und organischem, Blues-lastigem Drone-Georgel schälte sich im Fluss eine erkennbare Struktur aus hartem, hochkomplexem, mitunter schwer Kraut-rockendem Canterbury-/Psychedelic-Prog-Jazz, der sich immer wieder in abstakte Drones verlor und improvisiert zu neuer Struktur mutierte, Tempi-wechselnd von intensivstem High-Speed-Gelichter in völliger Verdichtung der einzelnen instrumentalen Fertigkeiten bis hin zu Zeitlupen-artiger Entschleunigung und einhergehendem Frieden nach dem Klang-Gewitter.
Assoziationen drängten sich auf an einen Fender-Rhodes-Berserker vom Schlage eines James Leg, der mit dröhnendem, phasenweise durch den Verzerrer gejagten Tastenanschlag und mit Unterstützung einer freigeistigen Begleitband versucht, eine eigene, bisher nie dagewesene, endlose Version des Acid-/Cosmic-Improvisations-Klassikers „Dark Star“ der Grateful Dead zu kreieren und dabei unversehens in eine fremde, irrlichternd-explodierende Sound-Galaxie katapultiert wird, in dem der Geist des Avantgarde-Großmeisters Herman Poole Blount und sein Sun Ra Arkestra federführend das Zepter schwingen.
Konzerte der Formation Toc sind nicht alltägliche Intensivst-Klang-Konfrontationen, ernsthafte Auseinandersetzungen mit den Möglichkeiten von tonalen wie atonalen Ausdrucksformen und nicht zuletzt wohl auch aufgrund der frei fließenden Form und des einhergehenden, ausgeprägt experimentellen Improvisations-Charakters zu jedem Live-Termin absolut singuläre Events, der Titel „Will Never Play These Songs Again“ des im Februar erschienenen, sechsten Albums der Band dürfte nicht von ungefähr kommen. Bands wie Toc sind die Würze in jedem Konzert-Jahr, den Organisatoren der Reihe Maj Musical Monday sei einmal mehr Dank für die Präsentation derartiger handverlesener Perlen.
Die Ausgabe #89 des Maj Musical Monday ist für 15. Oktober in der Münchner Glockenbachwerkstatt terminiert, zu der Gelegenheit mit einem Auftritt des britischen Postrock/Neoklassik-Duos VLMV (pronounced „Alma“).