Black Friday, my dudes, neunte Ausgabe, heute mal wieder ein eigener Beitrag mit einem Special zum Thema „Soul und Artverwandtes im Grunge und Alternative Rock“, mit drei Beispielen, wie sich Soul-, Gospel-, Funk- und Disco-Elemente in ausgewählten Krachmusikanten-Nummern der Neunziger eingeschlichen haben:
Den Auftakt macht die Sub-Pop-Band Big Chief aus Ann Arbor/Michigan, sie haben auf ihren wenigen Alben Anfang bis Mitte der Neunziger die Schwere des Motown-/Detroit-Grooves mit der Härte des Grunge in Einklang gebracht, Einflüsse waren bei Big Chief sowohl bei Funkadelic und Parliament als auch bei den Stooges oder MC5 auszumachen. Big Chief hatten von Beginn an Angebote von Major Labels, blieben aber ihrem Arbeiterklassen-Ethos treu, die Band um den Hardcore-Punk-Sänger Barry Henssler (ex-Necros) und Mike Danner, dem ehemaligen Drummer der Noise-Blues-Combo Laughing Hyenas, unterschrieb ihren ersten Platten-Deal beim Grunge-Heimatlabel Sub Pop in Seattle.
Nach Veröffentlichung ihrer Debüt-LP „Face“ im Jahr 1991 tourten sie ausgiebig mit den Beastie Boys in den Staaten, Nirvana schöpfte währenddessen im Grunge mit „Nevermind“ den großen Rahm ab.
Mit der Blaxploitation-Hommage „Mack Avenue Skullgame“ – einem Soundtrack-Album zu einem nicht existierenden Film – gelang ihnen in der Folge 1993 ihr bestes und gewagtestes Album, leider blieb dem musikalisch großen Wurf der kommerzielle Erfolg verwehrt, die Band erhoffte sich ähnliche Promotion, wie sie zuvor Sub Pop der Cobain-Kapelle zuteil werden ließ, als diese ausblieb, heuerte die enttäuschte Band bei Capitol Records an, lieferte mit „Platinum Jive“ ihr drittes und letztes Album ab, auch beim neuen Label fehlte der Verkaufs-Support, die Band löste sich 1996 frustriert auf und hinterließ der Nachwelt drei zumindest in Fan-Kreisen hochgeschätzte Alben.
Hier erklingt „One Born Every Minute (Doc’s Theme)“ aus dem Album „Mack Avenue Skullgame“ mit der Detroiter Soul-Lady Thornetta Davis als Gastsängerin:
„Rock over London, Rock on Chicago, the world is getting round“: Wesley Willis war ein wilder Hund, einer, ohne den die Geschichte der Independent-Musik um einiges langweiliger wäre. 1963 in Chicago geboren, im musikalischen Punk- und Outsider-Umfeld solo und mit seiner Band Wesley Willis Fiasco unterwegs, daneben Zeichner und Maler, befreundet mit Musikern von Ministry und Lard. 1989 wurde bei ihm Schizophrenie diagnostiziert. Auch hinsichtlich Arbeitsfleiß und Output ein absoluter Maniac, in manchen Jahren veröffentlichte Willis bis zu 12 Tapes und Alben im Eigenvertrieb. 1995 platzierte Dead-Kennedys-Vorturner und Willis-Fan Jello Biafra das Album „Greatest Hits“ beim hauseigenen Alternative-Tentacles-Label, seitdem genoss Willis Kult-Status in Underground-Kreisen. Im selben Jahr nahm ihn das von Rick Rubin gegründete American-Recordings-Label unter Vertrag, wo er zwei Alben produzierte.
In seinen oft sehr kurzen Stücken gelang ihm eine ureigene Mixtur aus Punk und Rap-artigem Gesang, sein Song „Jesus Is The Answer“ ist ein schönes Beispiel für seine ultraschräge Gospel-Kunst. 2003 ist Wesley Willis im Alter von 40 Jahren an den Folgen einer chronischen Leukämie gestorben, die wundersame Welt der Popmusik war um ein Original ärmer.
Und gleich nochmal Chicago: die dort ansässige Indie-Rock-Combo Urge Overkill ist einem weiteren Hörerkreis vor allem durch ihre Interpretation des Songs „Girl, You’ll Be A Woman Soon“ aus der Feder des New Yorker Schmalz-Barden Neil Diamond für den Soundtrack des Tarantino-Filmklassikers „Pulp Fiction“ bekannt geworden, bereits einige Jahre vorher haben sie beim Verarbeiten von Fremdmaterial eine glückliche Hand bewiesen, für ihr 1991er-Touch-And-Go-Album „The Supersonic Storybook“ haben sie sich bei der Hot-Chocolate-Soulnummer „Emmaline“ (aka „Emma“) aus der Feder von Errol Brown und Tony Wilson bedient, ein Song, der im Original 1974 in den Hitparaden des US-Billboard und in der Hot-Chocolate-Heimat UK für Furore sorgte.