Ach wäre er doch Osterhase geblieben …
Verbrecher
Hinterkaifeck
Die Einöde Hinterkaifeck, im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, nordöstlich von Augsburg gelegen, war am 31. März 1922 der Tatort eines der rätselhaftesten Verbrechen der bayerischen Kriminalgeschichte. Bei der grausamen und bis heute nicht aufgeklärten Tat wurden sechs Menschen ermordet, die Opfer waren das Landwirts-Ehepaar Andreas und Cäzilia Gruber, deren Tochter Viktoria Gabriel mit ihren minderjährigen Kindern Cäzilia und Josef sowie die Magd Maria Baumgartner, die erst am Tag der Tat – einen Tag zu früh, ein grausamer Streich des Schicksals! – auf dem Hof bei ihrem neuen Arbeitgeber eintraf.
Das landwirtschaftliche Anwesen wurde ein Jahr nach der Tat abgerissen, eventuell noch verwertbare Spuren im Zuge der Ermittlungen in dem Mordfall wurden somit für immer zerstört.
Heute erinnert an der Stelle des ehemaligen Hofes ein Gedenksäule, ein sogenanntes „Marterl“, an das unaufgeklärte Verbrechen. Auf dem Friedhof im nahe gelegenen Waidhofen, auf dem die Leichen der Ermordeten seinerzeit beigesetzt wurden, steht ein Gedenkstein am Grab der Opfer.
Interessierten Kriminalroman-Lesern dürfte der Fall nicht unbekannt sein: der Journalist Peter Leuschner verfasste 1978 eine sehr lesenswerte Dokumentation über den Mehrfachmord und die anschließenden polizeilichen, letztendlich vergeblichen Ermittlungsarbeiten (Hinterkaifeck – Deutschlands geheimnisvollster Mordfall, 1978, W. Ludwig Verlag).
Später bezichtigte Leuschner die Krimi-Autorin Andrea Maria Schenkel des Plagiats, er warf ihr vor, für ihren Bestseller „Tannöd“ Passagen aus seinem Werk zu verwenden. 2009 wurde die Klage Peter Leuschners vom Oberlandesgericht München in einem fragwürdigen Urteil in letzter Instanz abgewiesen.
In der bayerischen Folklore hat der Hinterkaifeck-Fall einen ähnlichen Stellenwert wie der Lizzie-Borden-Fall in den USA, einem letztendlich ebenfalls ungeklärten Doppelmord aus dem Jahr 1892 an dem Ehepaar Andrew und Abby Borden. („Lizzie Borden took an Ax / And gave her Mother forty Whacks / When she saw what she had done / She gave her Father forty-one“, siehe hierzu auch den hervorragenden Kriminal-Roman „Miss Lizzie“ von Walter Satterthwait, 2006, Deutscher Taschenbuch Verlag).
Der Mordfall Hinterkaifeck / Homepage
Hinterkaifeck / wikipedia
Lizzie Borden / wikipedia
Das Oktoberfest-Attentat
An der Nordseite der Münchner Theresienwiese findet sich die Gedenkstätte für die Opfer des Oktoberfest-Attentats, das sich in diesem Jahr zum 35. Mal jährt.
Bei dem Bombenanschlag kamen 13 Menschen ums Leben, unter ihnen auch der mutmaßliche (Mit-)Attentäter Gundolf Köhler, ein Sympathisant der damals aktiven rechtsradikalen „Wehrsport-Gruppe Hoffmann“. Weitere 211 Personen wurden durch die detonierte Rohrbombe verletzt, viele davon schwer.
Da sich der damalige Bundestags-Wahlkampf zwischen dem regierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt und seinem bayerischen Herausforderer Franz-Josef Strauß in den letzten Zügen befand, erhielt das Attentat vom 26. September 1980 in diesen vergangenen Herbstwochen eine besondere politische Brisanz. Strauß, der sich jahrelang auf den linken Terrorismus eingeschossen hatte und unter anderem die seiner Meinung nach laxe Politik des FDP-Innenministers Gerhart Baum für die RAF-Exzesse verantwortlich machte, kam plötzlich in Erklärungsnöte, hatte er doch im Vorfeld die Neonazi-Gruppierung des Nürnbergers Karl-Heinz Hoffmann als verrückte Spinner verharmlost und die Gefahr von rechtsradikalen Attentaten völlig in Abrede gestellt.
Aufgrund des Abschlussberichts von Generalbundesanwalt Rebmann galt Gundolf Köhler nach offizieller Lesart lange als Einzeltäter, obwohl vielfache Zeugenaussagen als auch eine abgetrennte Hand, die aufgrund der Blutgruppe niemandem zugeordnet werden konnte, in eine andere Richtung deuteten. Der Hörfunkreporter Ulrich Chaussy vom Bayerischen Rundfunk stieß bei der Aufarbeitung des Attentats auf zahlreiche Ungereimtheiten und versuchte immer wieder, auf diese hinzuweisen – mit dem Ziel, die Ermittlungen wieder in Gang zu setzen. Der Regisseur Daniel Harrich verfilmte die Recherchen Chaussys 2013 unter dem Titel „Der blinde Fleck“ mit Benno Fürmann in der Hauptrolle, der Film, den ich sehr empfehlen kann, läuft am 4. Februar in der ARD. Gegen Ende dieses spannenden Spielfilms werden auch die Parallelen zu den Ermittlungsfehlern im aktuell laufenden NSU-Verfahren deutlich.
Werner Dietrich, der Anwalt der Münchner Oktoberfest-Attentats-Hinterbliebenen, reichte im September 2014 einen Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen ein, diesem wurde am 11. Dezember vergangenen Jahres durch Generalbundesanwalt Range stattgegeben. Die Vernichtung sämtlicher Asservate zu dem Fall im Jahr 1997 dürfte die wiederaufgenommenen Recherchen nicht einfacher gestalten.
Der spannende Polit-Krimi „Das München-Komplott“ (2009, Kiepenheuer & Witsch) des Stuttgarter Autors Wolfgang Schorlau aus der Privatdetektiv-Dengler-Serie basiert auf den selben Ungereimtheiten zur Einzeltäter-Theorie, auch hier wird dieses Ermittlungsergebnis angezweifelt, der Krimi handelt im Wesentlichen von systematischer Spurenverwischung inklusive einiger Morde, und wie bei allen Romanen der Georg-Dengler-Reihe weiß der Leser nie, wo die Fiktion aufhört und ab wann die Realität zum Tragen kommt.