„We didn’t write anything with the prospect of giving people hope, but it’s good that that’s what some people get out of it. It doesn’t matter to us what exactly people get out of it. We can only hope that they at least get something out of it.“
(Levy Seynaeve, ech(((o)))es and dust Interview, Matt Buttler, 2015)
Jetzt aber endgültig Deckel drauf auf den Konzertmonat Mai. In dem Fall sogar maximalst morbide: Sargdeckel. Wenige Stunden vor Anbruch des Fronleichnams-Feiertags bespielte das belgische Trio Wiegedood passend zum anstehenden kirchlichen Pranger- oder Blut-Tag die Kranhalle des Münchner Feierwerks mit einer Auswahl an erschütternden Arbeiten ihrer Alben-Trilogie „De Doden Hebben Het Goed“. Die Band aus dem Umfeld des Kollektivs Church Of Ra, deren Musiker bei den Postmetal-/Sludge-Formationen Oathbreaker, Rise And Fall und den großartigen Amenra involviert sind, entledigt sich im Dreier-Verbund dieser Wurzeln und zelebrierte überfallartig und schockierend wie der namensgebende plötzliche Kindstod ihre Interpretation von atmosphärischem Black Metal – einer Spielart, zu der die Fachpresse stilistische Parallelen zur US-amerikanischen Cascadian-Black-Metal-Schule zieht.
Mit Trockeneis-Nebeln umweht auf finsterer Bühne gaben Wiegedood auch optisch eine Vorstellung der mentalen Verfassungen ihrer Werke: Todes-schwangere Maximalst-Attacken, der schieren Verzweiflung Ausdruck gebend, mit nicht mehr steigerbarem Gebrüll und Hysterie fernab jeglicher Verständlichkeit der textlichen Inhalte vorgetragen, voluminös angetrieben von dunkel wie exorbitant rumpelndem Trommel-Poltern, das sich nur selten gängiger Heavy-Rhythmik besinnt, und gnadenlos auf die Spitze getrieben durch düsteren, extremen, doppelten Gitarren-Speed, der ohne Bass-Erdung auskommt und sich dem Postrock nicht unähnlich mit intensiven Crescendi zu einer wuchtigen Soundwand auftürmt, im Ansatz von Wiegedood selbstredend ein weitaus monströseres, atemberaubenderes wie verstörenderes Gebilde als im Melodie-durchwehten Instrumental-Indie-Rock. Gnade gewährte das Trio Infernale im jeweiligen Interludium zischen den „Songs“, entschleunigter, melancholischer Drone-Doom zum Stimmen der malträtierten Gitarren-Saiten, zwischenbilanzierendem Zählen der Toten, Kräftesammeln und Anlauf-Nehmen zur nächsten Frontal-Konfrontation mit den letzten Dingen des Lebens.
So könnte sie klingen, die (a)tonale Interpretation von Atom-Tod, finalem Seuchen-Ausbruch, entvölkerten Endzeit-Visionen, Hieronymus-Bosch-Fantasien, der Soundtrack für die finstersten Albträume, die Filmmusik für den Roadmovie der apokalyptischen Reiter bei ihrem Seelen-Einsammeln zum jüngsten Gericht. Wie Wiegedood im Titel ihrer Alben andeuten: Wohl denen, die es bereits hinter sich haben.
Aufgrund deutlich verspätetem Konzertbeginn und des zeitlich mit einer knappen Stunde schmal bemessenen Gigs ohne Zugaben-Block gab es im Auditorium nicht wenig verärgertes Knurren, das mochte hinsichtlich Spieldauer nicht von der Hand zu weisen sein, andererseits: Wer nach dieser maximalst schonungslosen Brachial-Messe nicht inwendig völlig aufgelöst, in den Grundfesten erschüttert wie bedient war und nach mehr verlangte, durfte sich selbst auf die Schultern klopfen und zu den Unverwüstlichen zählen.