Willie Nelson

Reingehört (470): Kinky Friedman

„That’s a sure sign of depression. Turn ‚Matlock‘ off, Kinky, and start writing!“
(Willie Nelson)

Kinky Friedman – Circus Of Life (2018, Echo Hill Records)

„First album of new, original material in four decades“ schreibt die Fachpresse dieser Tage über den neuen Tonträger des Kinksters, das 2015er-Album „The Loneliest Man I Ever Met“ war seinerzeit das erste Studio-Album seit 39 Jahren, hatte aber demnach neben bekanntem Fremd- nur ältere Eigen-Kompositionen des Texas Jewboys auf der Titel-Liste, wer da hinsichtlich historischer Einwertung des Song-Materials noch durchblickt, darf zur Belohnung einen Schluck Jameson aus dem berühmten Stierhorn nippen.
Anyway, jetzt gibt es neuen Country-, Bluegrass- und Western-Swing-Stoff von Kinky Friedman, der Legende nach aufgrund massiver Aufforderung und Feuer-unter-dem-Allerwertesten-machen von Country-Songwriter-Spezi Willie Nelson. Der Zirkus des Lebens ist in seiner ganzen Vielfalt mit entsprechenden Ausschlägen nach oben wie unten in der individuellen Befindlichkeits-Skala ohne Zweifel immer ein lohnendes Motiv für eine Songsammlung, für einen man of many talents wie den ex-Governor-of-Texas-Kandidaten, ex-Peace-Corps-Zivi, ex-Dylan-Tourbegleiter, ex-Wahl-New-Yorker, Zigarren-Manufakturisten, Ranch-Betreiber, Tier-Schützer, Kriminalliteratur-/Song-Schreiber und Country-Musiker Kinky Friedman in der Rückschau auf ein erfülltes und ereignisreiches Dasein allemal.
Zumeist sehr nachdenklich, mitunter in melancholischen, anrührend schönen Balladen, mit trockenem Witz und illusionsloser Klarheit erzählt der Kinkster in den zwölf Songs der von ihm benannten „Matlock Collection“ vom verrückten Jesus im Pyjama, dem Ihr gern einen ausgeben dürft, sollte er mal an Euren Tisch im Diner oder an den Tresen Eurer Stamm-Kneipe treten, von Weisheit und Lebenserfahrung geprägte Geschichten, wie sie nur ein alter Outlaw-Country-Haudegen wie der texanische Kauz mit dem Stetson und der Zigarre zu erzählen weiß, von gescheiterten Beziehungen, den falschen Abzweigungen am Lebensweg, der versetzten Gitarre im Pfandhaus, von der Wahl zwischen Erlösung und einem Glas Bier, was im Zweifel zwei Seiten der selben Medaille sind.
Die Kinky-Krimis aus der Vandam Street und ihrer näheren Umgebung in Lower Manhattan haben mit fortlaufender Serie mehr und mehr an Thrill und Spannung hinsichtlich ausgefeilter Whodunit-Fälle verloren, gelesen hat man sie wegen lieb gewonnenem – real existierendem – Stammpersonal wie Ratso Sloman, Steven Rambam oder Dylan Ferrero trotzdem weiter gern, und nicht zuletzt auch wegen des ausgeprägten Kinkster-Talents, seine Geschichten so zu erzählen, dass Tragödie und Komödie stets nah beieinander liegen, im Drama immer einen Funken Hoffnung lassend wie im Humorigen das Nachdenkliche nicht vernachlässigend, so wie er es auch in seinen besten Songs auf „Circus Of Life“ mehr als ordentlich hinkriegt.
Have A Cigar, aber bitte keine mit den Bombast-Prog-Mainstreamern von Pink Floyd, eine feine Toro Grande mit dem Kinkster und seinen aus dem Leben gegriffenen Geschichten muss es sein.
(**** ½ – *****)

Kinky Friedman – Jesus In Pajamas → youtube-Link

Kinky Friedman – Live @ SXSW, Austin/Texas, 2018-03-15 → youtube-Link

Kinky Friedman @ Rag Radio, KOOP 91.7-FM, Austin/Texas, 2012-10-19 → archive.org-Link

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Reingehört (306): Willie Nelson, Ray Davies

Willie Nelson – God’s Problem Child (2017, Legacy)

Der texanische Outlaw Willie Nelson gibt sich auch im 84. Lebensjahr abgeklärt und relaxt, auf seinem in der vergangenen Woche erschienenen Album „God’s Problem Child“ blickt der altgediente Country-Crooner in einer Mischung aus Belustigung und Wehmut zurück auf vergangene Zeiten und wundert sich, dass er noch im Rennen ist, wo bereits so viele der musikalischen Weggefährten seiner Alterskohorte den letzten Road-Trip Richtung ewige Jagdgründe angetreten haben. Einer der letzten verbleibenden Großen der amerikanischen Country-Szene erfindet das Rad nach über sechs Jahrzehnten seines Schaffens hinsichtlich Sangesvortrag, Themen und musikalischem Arrangement gewiss nicht neu, mit aktuellen Eigenkompositionen und einer Handvoll Werken aus fremder Feder bringt Nelson mit altersmilder, vitaler, tiefenentspannter Stimme im bewährten Country-Swing und -Blues und einer feinen Auswahl an wohltemperierten Balladen, durchwirkt von Schmalz und Pedal-Steel-Schmelz, seine Geschichten zu Gehör, im Titelsong etwa begleitet von Tony Joe White und dem im vergangenen November dahingeschiedenen Leon Russell. Würdiges Alterswerk und ein feines Positiv-Beispiel dafür, dass viele Jahresringe allemal vor Torheiten wie etwa dem ungenießbaren American-Songbook-Gekrächze vom personifizierten Bad-Taste-Literaturnobelpreisträger-Joke schützen können.
(**** ½ – *****)

Ray Davies – Americana (2017, Legacy)

Ray Davies, der Kopf der legendären, 1996 aufgelösten UK-Rock’n’Roll-Urgesteine The Kinks hat dieser Tage im Hamburger Wochenblatt „Die Zeit“ in einem launigen Interview seine Eindrücke über die Heimatlosigkeit als Musiker, Auftrittsverbote in den USA und die Geschichte seiner in New Orleans eingefangenen Schussverletzung inklusive hoch sympathischen Anmerkungen über das Postkarten-Schreiben und die schöne westfälische Stadt Münster zum Besten gegeben, damit hat er ein paar weitere Stützbalken für den immerwährenden Sonderplatz im Herzen eingezogen, den er seit jeher als Songwriter, Sänger, Gitarrist und Produzent zahlreicher herausragender Alben seiner ehemaligen Stammcombo innehat, für sein jüngstes Solowerk „Americana“ kann es an dieser Stelle hingegen kaum Applaus geben. Die aktuelle Arbeit bietet nicht mehr als eine belanglose Sammlung an Mainstream-Schmonzetten, die im Sound weit über Gebühr im Beliebig-Austauschbaren versinken und die von Davies gewohnte, scharfe Beobachtungsgabe in den Texten schmerzlich vermissen lassen. Die Jayhawks um Gary Louris als Begleitband sind weit davon entfernt, die Nummer halbwegs anständig über die Bühne zu bringen, im Gegenteil, der Verdacht drängt sich auf, dass diese in jüngster Vergangenheit schwer im Mittelmaß versinkende Alternative-Country-Kapelle den prekären Zustand mit ihrer Füße-einschläfernden Beschallung noch verschärft, somit weiß Gott nicht die beste Wahl an Begleitmusikanten, der gute alte Ray hätte durch den letztjährigen, wenig anregenden „Paging Mr. Proust“-Output der Band eigentlich gewarnt sein müssen.
“Your time’s passed, now everyone asks for your version of history” – in dieser Form nicht mal das… mit „Americana“ hat Sir Ray einen Riesenschritt in das Lager derer getan, die durch uninspirierten Output im Alterswerk ihren Legenden-Status nachhaltig zu schädigen drohen.
(** ½ – ***)

Eine Kerze für Merle Haggard

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Der amerikanische Outlaw-Countrymusiker Merle Haggard ist gestern in Kalifornien an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben, auf den Tag genau an seinem 79. Geburtstag.
Nach einer schweren Kindheit und Jugend wurde Haggard 1957 für einen Einbruch zu 3 Jahren Haft verurteilt, im kalifornischen San Quentin State Prison war er am Neujahrstag 1958 Zeuge des ersten Johnny-Cash-Konzerts in einer Haftanstalt, dieses gab den Impuls zu seiner eigenen Musiker-Karriere.
Sein wohl bekanntestes Stück „Okie From Muskogee“ erfreute sich vor allem in konservativen US-Kreisen großer Beliebtheit, unter anderem zählte Präsident Nixon zu seinen Fans, der Song animierte den „Kinkster“ Kinky Friedman zur Parodie „(I’m Proud To Be An) Asshole From El Paso“.
Der Einfluss Haggards ging weit über die Country-Szene hinaus, seine Stücke wurden von so unterschiedlichen Musikern wie Eugene Chadbourne, den Byrds und den Grateful Dead gecovert.
Merle Haggard hat in seiner jahrzehntelangen Karriere weit über 50 Country-Alben veröffentlicht, zuletzt 2015 seine sechste, sehr gelungene Kooperation ‚Django & Jimmie‚ (Legacy) zusammen mit seinem Uralt-Kumpel Willie Nelson.

Reingelesen (37)

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„Moritz von Uslar: Gefärbter Bart?
Lemmy Kilmister: Gefärbte Haare. Sonst sähe ich aus wie Willie Nelson.“
(100 Fragen an Lemmy Kilmister, Süddeutsche Zeitung 2003, wiederveröffentlicht 29.12.2015)

„Im Fernsehen wurde ich zur Witzfigur: ‚Kennen Sie schon den, mit Willie Nelson? Als seine Rechnung über 32 Millionen Dollar Steuerschulden mit der Post kam, hat er sie genommen, Gras drübergekrümelt, sich daraus einen Joint gedreht und seine Probleme einfach weggeraucht. Am nächsten Morgen konnte er sich an nichts mehr erinnern.'“
(Willie Nelson, Mein Leben, Erster Teil, Mein Anfang)

Willie Nelson mit David Ritz – Mein Leben: Eine lange Geschichte (2015, Heyne)

Franz Dobler hat vor kurzem im Rahmen der Heyne-Hardcore-Veranstaltung im Münchner Unter Deck so schön daraus vorgelesen, aber auch ohne die feine Veranstaltung zum Anfixen kommt man als alter Country-Verehrer nicht umhin, in die Lebensgeschichte vom alten Willie reinzulunzen. Der mittlerweile 82-jährige ist neben Emmylou Harris, Kris Kristofferson und Merle Haggard einer der letzten großen Country-Ikonen, die sich ungebrochen, stilsicher und mit Vehemenz dem glattpolierten Nashville-Sound verweigern. Bevor der Begriff des ‚Alternative Country‘ geprägt wurde, nannte man das Outlaw-Musik, und in der Rolle des Outsiders hat sich der olle Nelson zeit seines Lebens wohl gefühlt, wovon er auf den knapp 450 Seiten seiner „langen Geschichte“ eindrucksvoll und mit viel Humor und Augenzwinkern Zeugnis ablegt.

„Wieso mich Zekes Draufgängertum so begeisterte? Weil es eine gewisse Gefahr ins Spiel brachte. Weil das Leben dadurch Biss bekam. Weil es das Unberechenbare möglich machte und das Unbekannte willkommen hieß.“
(Willie Nelson, Mein Leben, Erster Teil, Familienbande)

In lockerem Slang erzählt der alte Mann mit dem Zopf seine Geschichte über das Aufwachsen bei den Großeltern während der ‚Großen Depression‘ in Abbott/Texas, das unkonventionelle, aber herzliche Verhältnis zu seinen getrennten Eltern, über seine verflossenen Ehefrauen, seine musikalischen Einflüsse, das schwierige Verhältnis zur Nashville-Country-Industrie, das weniger schwierige Verhältnis zum Hanf-Produkt, für dessen Legalisierung er sich permanent stark macht, und seine lebenslange Freundschaft zum Country-Outlaw Waylon Jennings.
Die bereits eingangs zitierte Auseinandersetzung mit der US-Steuerbehörde IRS, verursacht durch zweifelhaftes Finanzgebaren seines langjährigen Managers Neil Reshen, die Nelson an den Rand des Ruins brachte, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, die Episoden zum Thema sind gespickt mit Willies herzerfrischenden Anekdoten, allein dafür lohnt die Lektüre des Schmökers.

„Doch als der Oberboss von Columbia die Aufnahmen hörte, sagte er: ‚Wieso spielst du mir ein Demo vor?‘ ‚Das ist kein Demo‘, erklärte ich. ‚Das ist das fertige Produkt.'“
(Willie Nelson, Mein Leben, Dritter Teil, Pure Sunshine & Purple Jesus)

Neben seiner bewegten Vita schreibt Nelson über die Entstehungsgeschichten zu zahllosen Songs und ausgewählten Klassikern wie dem Jahrhundertwerk und Billboard-Nummer-1-Album ‚Red Headed Stranger‘ (1975), bei dem sich Columbia Records zuerst sträubte, es in der Form zu veröffentlichen, oder dem ‚Teatro‘-Album (1998, Island), einem seiner atmosphärisch dichtesten Werke, das aus seiner Zusammenarbeit mit dem kanadischen Produzenten Daniel Lanois resultierte. Namedropping kommt bei einem, der seit weit mehr als fünfzig Jahren in vorderster Linie im Musik-Business mitmischt, selbstverständlich nicht zu kurz, allein die Liste derer, die seit 1985 bei den von Willie Nelson mitinitiierten ‚Farm Aid‘-Benefit-Konzerten zur Unterstützung der amerikanischen Kleinbauern auftreten oder über die Jahrzehnte anderweitig mit dem Country-Star zusammenarbeiteten, ist zum Zunge-schnalzen. Kollaborationen wie etwa das Highwaymen-Projekt zusammen mit Johnny Cash, Kris Kristofferson und Waylon Jennings mögen nicht weiter verwundern, dass bei Nelson-Duett-Partnern auch ein spanischer Schmalz-Barde wie Julio Iglesias auftaucht, legt Zeugnis ab von der Unvoreingenommenheit des Texaners gegenüber anderen Musik-Genres – überhaupt ist der alte Mann in seiner ganzen über achtzigjährigen Lebensweisheit ein Ausbund an Toleranz, der dem Leser höchsten Respekt abnötigt.

Das im ‚Hardcore‘-Programm des Heyne-Verlags veröffentlichte Werk ist seit langem eine der sympathischsten Lebens-Beichten aus dem weiten Feld der Musiker-Autobiografien, man kann nur den Cowboy-Hut ziehen vor einem wie Willie Nelson, der sich trotz oft widriger Lebensumstände, drei gescheiterter Ehen, dem frühen Tod seines ersten Sohns Billy und dem ewigen Zirkus mit der amerikanischen Steuerbehörde nie die gute Laune verderben lies und der auch im hohen Alter positiv gestimmt und voller Tatendrang den Blick nach vorne richtet. Der Tod hat für ihn keinen Stachel, glaubt er doch im Sinne einer nie endenden Reise analog zu immerwährenden Zweitligisten-Aufstiegs-Phantasien: „Wir kommen wieder!“, in einem Fall wie seinem selbstredend nur in einer höheren Lebensform, während Garth Brooks, Donald Trump, die Bush-Brut und FC-Bayern-Nachläufer im nächsten Leben maximalst die Stufe von Würmern, Grottenolmen und anderem Ungeziefer erreichen werden, da ihnen der Himmel auf Erden –  ungerechterweise – bereits jetzt zuteil wird.

„Nashville war ein Kampf. Es gab auch gute Momente, aber insgesamt war es mühsam. Ich brachte meine Ware wohl ins Kaufhaus, aber das reichte nicht, um mich durchzusetzen. Angesichts all der Musik, die aus Nashville kam, angesichts der großartigen Musiker und legendären Produzenten, sollte man meinen, dass ich da genau richtig war. War ich aber nie. Ich mache es Nashville nicht zum Vorwurf. Wahrscheinlich bin ich einfach eigen.“
(Willie Nelson, Mein Leben, Zweiter Teil, Das Kaufhaus)

David Ritz verfasste als Co-Autor die Autobiographien unter anderem von B. B. King, Smokey Robinson und Etta James. Zuletzt war er als Co-Autor am Lebensbericht des ex-CBS-Records-Chefs Walter Yetnikoff beteiligt. Er verfasste zudem die von der Kritik gepriesenen Biographien »Divided Soul: The Life of Marvin Gaye« und »Faith in Time: The Life of Jimmy Scott«.

Willie Nelson, geboren 1933 in Abbott, Texas, ist einer der großen amerikanischen Country-Musiker und Songwriter. Er ist außerdem Autor, Lyriker, Schauspieler und Aktivist. 1993 wurde er in die Country Music Hall of Fame aufgewonnen. Mit 22 Nummer-1-Singles, 14 Nummer-1-Alben und 10 Grammy-Auszeichnungen ist er einer der erfolgreichsten Musiker so far. Außerdem war er in fast 40 Film- und Fernsehproduktionen als Schauspieler tätig. Der Rolling Stone wählte ihn auf Platz 77 der 100 besten Gitarristen aller Zeiten.

Reingehört (101)

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Kinky Friedman – The Loneliest Man I Ever Met (2015, Avenue A Records)
Erstes Studioalbum des Kinksters seit Jahrzehnten, mir fehlt da etwas der Überblick, eine Quelle schreibt gar, das erste seit 39 Jahren.
Der Mann war die letzten Dekaden schwer beschäftigt mit seiner Bewerbung um das Amt des texanischen Gouverneurs, als Produzent seiner eigenen Zigarren und vor allem als Verfasser einer ganzen Reihe von Kriminalromanen, in denen er in New York aus seinem improvisierten Detektei-Büro heraus so manchem schlimmen Finger das Handwerk legte. Auch wenn der Stoff nach den ersten sehr gelungenen Werken wie „Greenwich Killing Time“ oder „Lone Star“ sukzessive schwächer wurde, man hat das Zeug allein schon wegen der lieb gewonnenen, real existierenden Charaktere wie dem Dylan-/Jesus-/Hitler-Experten Larry „Ratso“ Sloman oder dem Sicherheitsberater und Privatdetektiv Steven Rambam gern weiter gelesen, und als Kneipenführer für das Village eignen sich die Schmöker allemal.
Nachdem wir Kinky Friedman in früheren Jahren humoriges Liedgut wie „They Ain’t Making Jews Like Jesus Anymore“ oder „Asshole From El Paso“ zu verdanken hatten, widmet sich der Texas Jewboy auf seinem neuen Tonträger tendenziell vermehrt den leisen Tönen.
Im Opener „Bloody Mary Morning“ wird er im Duett-Gesang von seinem alten Kumpel Willie Nelson begleitet, das Titelstück ist eine feine Bar-Room-Ballade, „A Christmas Card From A Hooker In Minneapolis“ von Tom Waits passt er hinsichtlich Songtext für seine Bedürfnisse an, „My Shit’s Fucked Up“, das Warren Zevon einst über seine schwindende Gesundheit schrieb, bezieht der Kinkster auf die momentane Weltlage, da mag ihm niemand widersprechen, mit „Wild Man From Borneo“ zitiert sich Kinky selbst und mit „Girl From The North Country“ erinnert er getragen-nachdenklich an Bob den Meister, den er anno 1976 bei seiner legendären „Rolling Thunder Revue“ begleitete.
Ein gelungenes und würdiges Country-Alterswerk, das in jedem Ton überzeugt, darauf – getreu dem großen Kinkster-Wort „You’ve got to find what you love and let it kill you“ – einen strammen Jameson aus dem Stierhorn…
(**** ½ – *****)

The Rheingans Sisters – Already Home (2015, Rootbeat)
Streichinstrumente-dominiertes Folk-Wunderwerk der englischen Schwestern Rowan und Anna Rheingans, das Violinenspiel der Geschwister ist fest verwurzelt in der englisch-gälischen Volksmusik und im Bourrée-Tanz vergangener Jahrhunderte, der französischen Musiktradition wird vermehrt gebührend Tribut gezollt, Rowan Rheingans hält sich derzeit im Süden der Grande Nation zwecks Studium des regionalen musikalischen Kulturerbes auf, mit wenigen Ausnahmen wird Instrumental-Musik von erlesener Güte zu Gehör gebracht, die wenigen Vokal-Stücke fügen sich nahtlos in das stimmige Gesamtbild. Mit jeder Note hört man die Meisterschaft, hier scheint Musik im besten Sinne gelebt zu werden. Wohl von Kindesbeinen an im Musizieren geschult – Vater Rheingans ist Geigenbauer – ist ein Können hörbar, bei dem sich Vergleiche nur zu den Besten wie dem amerikanischen Kronos Quartet aufdrängen.
Die perfekte Präsentation aus altertümlichem Folk mit einer bereichernden Beigabe von Klassik-Elementen – und eine begeisternde Entdeckung für den Musikfreund zum Ende des Jahres.
(*****)