Reingelesen (13)

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„Als er den CD-Player im Auto anstellte, drang Jackie Levens Stimme tief und durchdringend aus den Lautsprechern. Er sang davon, im Grab eines anderen Mannes zu stehen. Rebus‘ Blick verengte sich. Einen Augenblick lang war er wieder auf dem Friedhof und starrte die Köpfe und Rücken an. Er griff auf den Beifahrersitz und fummelte das Textblatt aus der CD-Hülle. Das Stück hieß „Another Man’s Rain“. Davon sang Jackie: im Regen eines anderen zu stehen.
„Wird Zeit, dass du dir mal die Ohren untersuchen lässt“, brummte Rebus vor sich hin. Jackie Leven war auch schon tot. Dabei war er bestimmt ein Jahr jünger gewesen als er selbst. Sie stammten beide aus Fife. Er fragte sich, ob ihre Schul-Fußballmannnschaften jemals gegeneinander angetreten waren – das war so gut wie die einzige Gelegenheit, bei der sich Kinder aus verschiedenen Schulen begegneten. Aber egal: Er war sowieso nie in die erste Mannschaft gewählt worden, sondern hatte immer nur die Aufgabe bekommen, sein Team vom schweinekalten Spielfeldrand aus anzufeuern, während die anderen angriffen, Tore schossen und sich gegenseitig beschimpften.“
(Ian Rankin, Mädchengrab, Prolog)

Ian Rankin – Mädchengrab (2012, Goldmann)
John Rebus is back. War klar. Der Schluss von „Ein Rest von Schuld“ („Exit Music“, 2007), in dem der dickschädelige Edinburgher Detective Inspector in Pension geht, lies die Tür für ein Comeback sperrangelweit offen, und nachdem Ian Rankins neue Serie um den internen Ermittler Malcolm Fox nicht so recht ins Rollen kam, war es für die Fans der schottischen Krimi-Ikone nur folgerichtig, dass er den guten alten John Rebus inklusive seiner lebenslangen Nemesis, der Edinburger Unterweltgröße Big Ger Cafferty, 2012 reanimierte.

Um die Zeit totzuschlagen, geht Rebus in seinem Rentner-Status als Ehrenamtlicher in der „Cold-Case“-Abteilung alten, ungelösten Verbrechen nach. In dem Zusammenhang stößt er auf eine Reihe ungelöster Vermisstenfälle, junge Frauen verschwanden über mehrere Jahre verteilt an der Autobahn in der Gegend um Inverness, zur Klärung benötigt Rebus die Hilfe seiner ehemaligen Kollegin Siobhan Clarke und ihres neuen Vorgesetzten James Page (der Name ist selbstredend prädestiniert für eine Unmenge an mehr oder weniger passenden Led-Zeppelin-Kalauern… ;-)).

„John Rebus“, ließ sich Rebus herab und streckte ihm eine Hand hin. Die beiden Männer begrüßten sich. „Ich bin von der SCRU.“
„DCI Page“, erklärte Clarke.
„James Page“, präzisierte Page.
„Sie haben sich aber verändert“, sagte Rebus. Page sah ihn verständnislos an. „Led Zeppelin“, erklärte Rebus. „Der Gitarrist.“
(Ian Rankin, Mädchengrab, Teil I, Kapitel 5)

Mit Lektüre des Buchs wurde mir erst klar, wie sehr ich den Kult-Cop aus Edinburgh vermisst habe, zu herausragend war seine Stellung als Serien-(Anti-)Held in der britischen Krimi-Landschaft der letzten Jahrzehnte, Malcolm Fox, der im Übrigen auch eine nicht eben sympathisch angelegte Nebenrolle spielen darf in diesem Rebus-Roman, war als Ersatz-Figur Rankins bisher schlicht zu blass und konturenlos geblieben.

Ein atmosphärisch dichter Rebus-Krimi, der den Hauptprotagonisten oft am Rand der legalen/moralischen Correctness zeigt, der die Spannung über weite Strecken im oberen Bereich hält, am Ende mit einem unerwarteten Plot aufwartet (ein erwarteter wäre auch grottenlangweilig gewesen ;-))) – und zudem zum besten Drittel der Rebus-Reihe gezählt werden darf. Etwas irritierend für Rankin-Fans mag erscheinen, dass der obligatorische Oxford-Bar-Besuch erst relativ spät erfolgt (S. 235). Wie so oft bei Rankin: ein Muss für alle Krimi- und Schottland-Freunde. Gratulation zum gelungenen Comeback. Mit „Schlafende Hunde“ (2013, Goldmann) liegt bereits die Fortsetzung vor.
(**** ½ – *****)

THE OXFORD BAR EDINBURGH 2008

10 Kommentare

    1. Danke für Dein Feedback. Jackie Leven war mir leider nie vergönnt, bei seiner letzten Tour wollte ich ihn sehen, das Konzert wurde aber leider abgesagt. da war er wohl schon sehr krank. Seine Solo-Live-Platte „For Peace Comes Dropping Slow“ mag ich total gern.
      Wenn Du die Rebus-Reihe lesen willst, fang unbedingt beim ersten an und geh chronologisch vor, Quereinsteigen macht da keinen Sinn.
      Viele Grüße,
      Gerhard

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      1. Danke für den Lese-Tipp! Ich hab mal eine Frage: wie hieß die Band, mit der Jackie Leven wilden Anarcho-Proto-Punk gespielt hat in den Siebzigern? Danke im Voraus!

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  1. Leider nein. Bei „Jott-Peh-Zeh“ (der CD-Bücher-Shop) hat das Album zum fairen Preis im Angebot, mit einer Beschreibung zum Album. Ich selbst besitze (nur :D ) „creatures of light and darkness“).

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