Marc Richter

Reingehört (508): Black To Comm

Black To Comm – Seven Horses For Seven Kings (2019, Thrill Jockey Records)

Seit vergangenen Freitag ist das neue Album „Seven Horses For Seven Kings“ vom Solo-Projekt Black To Comm des Hamburger Electronica-Musikers Marc Richter in den Läden.
Der Experimental-Tüftler nimmt sich in ausgedehntem Doppel-LP-Format reichlich Muse zur Entfaltung seiner zuweilen verstörenden, hybriden Sound-Trips in die Grenzbereiche des Ambient und Drone. Richter entwirft mithilfe von Samplings, analogen Einspielungen, digitalen Verfremdungen und synthetisch erzeugten Sounds einen mächtigen Urwald aus organischen und vor allem abstrakten, deformierten Klang-Geflechten, die der Hörerschaft keine geringen Aufgaben hinsichtlich Zurechtfinden in den komplexen, verschlungenen Pfaden mit auf den Weg geben. In einem weiten Feld von minimalistischer Neoklassik bis hin zu Nerven-antestendem Industrial-Lärmen/Pfeifen/Übersteuern und verfremdetem Experimental-Drone-Metal nebst allen Ausprägungen an Trance-artiger Schwerst-Psychedelic frisst sich ein schwarzes, finsteres Geistwesen in die Hirnwindungen, das nichts Freundliches im Schilde führt, seine hypnotische Wirkung einem Virus gleich entfaltet und damit nachhaltigen Druck und Beklemmung erzeugt. Die bereits vor Wochen vorab veröffentlichte Nummer „Fly On You“ präsentiert sich dagegen mit orchestraler Opulenz in einer geradezu symphonischen, ergreifenden Pracht und ist in diesem Kontext mit seiner archaischer Techno-Rhythmik fast Hit-verdächtig.
Ein radikaler und kompromissloser Ansatz, der weder nach Vergleichbarem noch nach Gefälligkeit schielt und damit wohl in den Bereich großer Kunst vordringt. Nicht immer mag das Entwerfen von Collagen als Ausdrucksform glücken, auf dem neuen Werk von Black To Comm fügen sich die unterschiedlichsten Quellen hingegen zu einem faszinierenden Klang-Konglomerat.
Manchmal ist das Leben alles andere als eitel Sonnenschein, und dann ist das hier sicher nicht der unpassendste Soundtrack zur tonal/atonalen Untermalung der Verwerfungen dieses irdischen Elends inklusive der daraus resultierenden sinisteren Gedanken. Individuell mentale Erdung und gefestigte Befindlichkeit vorausgesetzt, andernfalls droht im Laufe dieser intensiven Experimental-Demonstration über kurz oder lang der Sprung aus dem Fenster. Insofern: Wer die eigenen, inneren Dämonen nicht im Griff haben sollte: Finger weg. Alle anderen: mit beherzter Neugierde zugreifen. Bei auftretenden Nebenwirkungen vernichten Sie ihre Sammlung an gefälligen Pop-Alben und/oder machen den Mainstream-Radiosender Ihrer Wahl haftbar.
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