Reingehört (399): Catherine Graindorge & Hugo Race, Thor & Friends

Catherine Graindorge & Hugo Race – Long Distance Operators (2017, Sub Rosa)

Die Violinistin, Komponistin und Schauspielerin Catherine Graindorge und der Desert-Blueser Hugo Race haben im Herbst mit „Long Distance Operators“ eine eindringliche wie wunderschöne Kollaboration veröffentlicht, hier treffen zwei Geistesverwandte in gedeihlicher Zusammenarbeit zusammen, es wäre wohl auch verwunderlich gewesen, wenn die belgische Experimental-Musikerin, die unter anderem bereits mit John Parish und dem ehemaligen 16-Horsepower-Bassisten Pascal Humbert zusammenarbeitete, und der australische ex-Bad-Seeds/True-Spirit-Gitarrist/Sänger keine gemeinsame Arbeitsbasis für ihre getragenen, mitunter schwermütigen und ergreifenden Kompositionen gefunden hätten.
Atmosphärische Neo-Klassik, Anlehnungen an die arabische Tondichtung wie an den instrumentalen Postrock, Ohren-schmeichelnde Ambient-Entrücktheit und geloopte Trance-Flows treffen auf die finstere Tonlage im Race-Gesang wie dunkel funkelnde Drones, eine opulente instrumentale Bandbreite und sakrale Choräle. Hinsichtlich Inhalten beschäftigt sich das Werk auf transzendenter Ebene mit den letzten Dingen, ein würdiges Unterfangen, dass in der Orchestrierung, im latent morbiden, schaurig-schönen wie im romantisch verklärten, über die Maßen wohlklingenden Ansatz mit Artverwandtem im Geiste wie den klassizistischen Dylan-Thomas-Interpretationen auf „Words For The Dying“ von John Cale aus dem Jahr 1989 verglichen werden darf.
(***** – ***** ½)

Thor & Friends – The Subversive Nature Of Kindness (2017, Living Music Duplication)

Der Mann kann auch ganz anders. Hat er auf Tonträger-Einspielungen und vor allem bei seinen jahrelangen, ausgedehnten Konzertreisen mit den Swans hinlänglich unter Beweis gestellt, bevor er im letzten Band-Lineup nach seinem Ausscheiden durch den Schweizer Keyboarder Paul Wallfisch ersetzt wurde. Ein halbstündiges Stahlgewitter-Stakkato und perkussives Intensiv-Donnergrollen im trommelnden Solo-Vortrag von Thor Harris als gedehntes Intro war im Rahmen der „The Seer“-Tour 2012 keine Seltenheit, bevor Michael Gira und der Rest der New Yorker No-Wave-Lärm-Institution die Bühne betraten und den tonal/atonalen Orkan instrumental erweiterten.
Dass Harris ein „man of many talents“ ist, wird durch seine diversen Professionen als Musiker, Maler und Zimmermann oder seine Engagements als Rhythmus-Geber in der Vergangenheit bei stilistisch weit auseinander liegenden Musikern/Combos wie Bill Callahan, Ben Frost, Shearwater oder eben den Swans deutlich, auf „The Subversive Nature Of Kindness“ stellt er eindrucksvoll unter Beweis, dass er auch im filigranen Anschlag glänzen kann. Unterstützt von seinen „Friends“, die sich hier im wesentlichen aus der Marimba-Spielerin Peggy Ghorbani, der Multi-Instrumentalistin Sarah „Goat“ Gautier und Swans-Mastermind Michael Gira als dadaistischem „wordless vocals“-Beisteuerer zusammensetzen, entwirft Harris feingliedrige, minimalistische Instrumental-Stücke, die von einer meditativen Polyrhythmik getragen werden, in Ansätzen der von Marimba, Vibraphon und Xylophon dominierten Kunst des Moondog-Spätwerks nicht unähnlich, gespielt zu Teilen auf selbstgebauten Instrumenten. Unterfüttert wird das Ambient-artige Entspannungs-Klöppeln von hochmelodischer Neo-/Minimal-Klassik, abstrakten Musique-concrète-/Experimental-Drones, Free-Jazz-artiger Freigeist-Improvisation und an buddhistische Klang-Mantren erinnernde Trance-Klanggebilde: ein organisches wie stimmiges Geflecht im entspannten Flow aus der Sound-Schreinerei von Thor & Friends.
Im vergangenen Sommer hat Thor Harris angekündigt, sich als Kandidat für die Governor-Wahl 2018 in seinem Heimatstaat Texas zu bewerben. Das Amt hat in früheren Zeiten bereits der Country-Musiker und Krimi-Autor Kinky Friedman angestrebt, ist damals leider mangels ausreichender Wählerstimmen nichts daraus geworden. Sollte es auch im Fall von Thor Harris mit der politischen Karriere nicht klappen, wird ihm wie dem Kinkster der Trost zuteil, dass als zweites Standbein immer noch die wunderbare Welt der Musik bleibt.
(*****)

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