Freiraum-Blog

Soul Family Tree (59): Soul goes Country, again – und eine Handvoll Jubiläen…

Black Friday, heute mit einem neuen Beitrag vom Hamburger Freiraum-Blogger Stefan Haase: „Soul goes Country“ hieß es in dieser Reihe bereits im November 2017 mit der Würdigung der „Dirty Laundry“-Sampler aus dem Hause Trikont, mit Johnny-Cash-Nummern in der Soul-Interpretation von Brian Owens und ausgewählten Songs der Altmeister Solomon Burke und Charlie Rich, heute knüpft Stefan an das Thema an und erinnert darüber hinaus an einige Jubiläen aus der Welt des Hip Hop:

Heute geht es im Soul Family Tree um die Begegnung von Country und Soul. Countrystars singen Soul. Und mit Ray Charles gibt es einen recht prominenten Vorreiter des Soul-Genres, der gleich mehrere Country-Alben aufnahm. Bereits 1959 legte er mit dem Album „Modern Sounds In Country & Western“ einen Meilenstein vor. Dazu blicken wir 30 Jahre zurück und erinnern an das Debüt von De La Soul und an das vor 15 Jahren erschienene Meisterwerk von Madvillain. Und als Bonus gibt es obendrauf eine sehr gute Musik-Dokumentation.

Kommen wir gleich zu Beginn zu Ray Charles. Er perfektionierte seinen eigenen Stil aus Blues, Gospel und Jazz und hatte bereits früh einen Plattenvertrag bei Atlantic Records. Angetrieben von dem Wunsch, ganz nach oben zu kommen, nahm er zahlreiche Hits auf: „What I’d Say“ oder „Hit The Road Jack“ stürmten die R&B- und Pop-Charts. Ende der 1950er Jahre war er bereits auf dem Höhepunkt seiner Karriere und wechselte zu ABC Paramount. Dort bekam er volle künstlerische Freiheit und schrieb mit dem Album „Modern Sounds In Country & Western“ Musikgeschichte.

Als Kind saß er vor dem Radio und hörte die Sendung „Grand Ole Opry“, die bekannteste Country-Show des Landes. Seitdem träumte er davon, ein Country-Album aufzunehmen. Mit dem neuen Plattenvertrag ist er selbstbewusst genug, es zu tun. Doch spielte er die Songs nicht einfach nach. Er machte daraus swingende Pop-Nummern mit üppigen Streicher- und Bläser-Arrangements.

„Modern Sounds In Country & Western“ gilt als eines der erfolgreichsten Country-Alben überhaupt. Aber Ray Charles erreicht damit sehr viel mehr als ein paar Hits in den Billboard Charts. Auf seinen Konzerten tanzen schwarze und weiße Jugendliche gemeinsam. Er verband beide Welten, was einer kleinen Revolution im Amerika der Rassentrennung gleichkam.

Ray CharlesJust A Little Lovin‘

Und hier ein Wiederhören mit dem König des Swamp-Rock, Tony Joe White, der leider im Oktober letzten Jahres verstarb:

Tony Joe WhiteDid Somebody Make A Fool Out Of You

Townes Van ZandtBlack Widow Blues

Bobbie GentryMississippi Delta

Johnny DayeStay Baby Stay

The Country Soul ReviewSapelo (feat. Larry John Wilson)

Millie JacksonPick Me Up On Your Way Down

Blicken wir zurück. Im März 1989 veröffentlichten De La Soul ihr Debüt „3 Feet High And Rising“. Das Hip-Hop-Trio aus New York begründete damit einen Stil-Wechsel. Weg vom Gangsta-Rap und hin zu einem mehr freundlicheren Auftritt. Das nannte sich Native Tongues Posse und erlebte in den 1990er-Jahren seine Blütezeit. Aus dieser Zeit stammen Künstler wie Queen Latifah, Jungle Brothers oder A Tribe Called Quest.

De La SoulPlug Tunin‘ (Last Chance To Comprehend)

Und vor 15 Jahren erschien das Debüt vom Hip-Hop-Duo Madvillain. Damals zunächst kein großer kommerzieller Erfolg, dieser sollte sich erst mit den Jahren einstellen. Heute zählt das Debüt zu den besten HipHop-Alben aller Zeiten. Besonders die gekonnte Sample-Technik, unter anderem der Einfluss von Jazz-Samples, macht dieses Album auch heute noch zu einem hörenswerten Kunstwerk.

MadvillainAll Cabs

Vor fast 20 Jahren kamen die damaligen Rapper Dr. Dre, Snoop Dogg, Ice Cube und Eminem für eine Konzerttour zusammen. In der Arte-Dokumentation „Up In Smoke“ sieht man nicht nur eine grandiose Hip-Hop-Show, sondern erhält auch einen Blick hinter die Kulissen. Gefilmt wurde die Tournee und das Konzert am 20. Juli 2000 in Worcester, Massachusetts. Und diese sehenswerte Dokumentation gibt es noch bis zum 1. Juni in der arte-Mediathek.

Bis zum nächsten Mal.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (57): Inspiration & Intro

Im heutigen Black-Friday-Gastbeitrag zeigt der Hamburger Freiraum-Blogger Stefan Haase mit ausgewählten Songs, wo gut abgehangene Mainstream-Hanseln wie die ollen Beatles oder die Hardrock-Urknaller von Led Zeppelin seinerzeit ihre musikalischen Ideen vornehmlich bei afro-amerikanischen Musikern zusammengeklaut haben, quasi die fortgeführte Ausbeutung der Sklaven-Nachfahren durch den weißen Mann, mit anderen Mitteln  – Stefan formuliert das seinem Naturell entsprechend selbstredend etwas charmanter und thematisch differenzierter, here we go:

Heute dreht sich alles um Inspiration in der Musikgeschichte, und zum Ende um einen Podcast, der sich mit Intros von Songs beschäftigt.

Vor 50 Jahren erschien das Debut von Led Zeppelin. Auch die beiden Köpfe der Band, Robert Plant und Jimmy Page, ließen sich musikalisch inspirieren. Ihr Song „Rock And Roll“ ist hinlänglich bekannt, er wurde stark beeinflusst von Little Richard’s „Keep A Knockin'“, wie Plant in einem Interview verriet.

Led ZeppelinRock And Roll

Little RichardKeep A Knockin‘

Wir bleiben in England. John Lennon soll eine Jukebox besessen haben, so die Legende. Und irgendwann tauchte diese Jukebox wieder auf, wurde versteigert und anhand der Original-Singles erschien 2004 auch ein Album mit allen Songs. Es soll die Musik dokumentieren, die Lennon musikalisch inspirierte. Wie gesagt, belegt ist wenig. Doch heute weiß man, dank zahlreicher Interviews u.a. mit Paul McCartney, dass die beiden sich ebenfalls inspirieren ließen vom Sound der 1950er/1960er Jahre. Auf dem Album „John Lennon´s Jukebox“, erschienen bei Virgin, findet sich eine interessante Auswahl von Singles aus den Jahren 1956-1966. Hier trifft man wieder auf Little Richard, Wilson Pickett’s „In The Midnight Hour“ und auf Otis Redding, Bob Dylan und viele mehr. Ausführlicheres dazu gibt es bei Wikipedia zum Nachlesen, inklusive Tracklist.

Und hier einige Songs zum nachhören und rätseln, zu welchen Beatles-Songs sich John Lennon hat inspirieren lassen.

Chuck BerryNo Particular Place To Go

Little RichardSlippin‘ and Slidin‘ (Peepin‘ and Hidin‘)

Bobby ParkerWatch Your Step

Bobby Parker war ein Rhythm-and-Blues-Musiker. Sein Song „Watch Your Step“ aus dem Jahr 1961 war inspiriert von Dizzy Gillespie’s „Manteca“ und „What I´d Say“ von Ray Charles. Die Nummer war sein einziger Billboard-Hit. Parker trat oft zusammen mit Chuck Berry und Little Richard auf.

Vor fast 40 Jahren erschien das letzte reguläre Album der Band The Specials. Sie waren die erste Ska-Band in England und hatten enormen Erfolg. Auch wenn sie bis heute aktiv sind und Konzerte spielen, neues Songmaterial war bis vor kurzem Mangelware. Doch nun heißt es „Encore“, der Titel des neuen Albums. Und die erste Single daraus lässt sich gut hören. Erinnerungen an „Ghost Town“ werden wieder wach.

The SpecialsVote For Me

Missy Elliott wurde als erste Rapperin in die Songwriters Hall Of Fame aufgenommen. Das ist bemerkenswert, da bislang nur Jay-Z und Jermaine Dupri als Hip-Hop-Künstler aufgenommen wurden. Das ist Grund genug, auf den ersten Hit von Missy Elliott zurück zu blicken, der besonders bei regnerischen Wetter für gute Laune sorgt. Der Song erschien 1997 und basiert auf den bekannten Song „I Can´t Stand The Rain“.

Missy ElliottRain (Supa Dupy Fly)

Wer erkennt folgende Lyrics? „Chaka, Chaka, Chaka, Chaka Khan / Chaka Khan, Chaka Khan, Chaka Khan / Chaka Khan, let me rock you / Let me rock you, Chaka Khan …“ Prince schrieb für Chaka Khan ihren größten Hit mit „I Feel For You“. Sofort denkt man auch an Grandmaster Melle Mel, der dabei rappte. Nach vielen Jahren, in denen man von Chaka Khan nichts mehr hörte, kommt nun ein neues Album. Im letzten Jahr erschien bereits die erste Single „Like Sugar“, und nun hat sie ihr Video für „Happiness“ veröffentlicht. Und irgendwie ist die Zeit stehen geblieben. Satte Bassläufe und die alte Schule aus den 1980er Jahren lassen sich wieder hören.

Chaka Kahn Happiness

Und die letzte Inspiration kommt von McKinley Morganfield. Besser bekannt als Muddy Waters. Er inspirierte so viele andere Musiker und u.a. auch Led Zeppelin. Der geniale Willie Dixon schrieb den Song „You Need Love“, der Led Zeppelin für die Lyrics zu „Whole Lotta Love“ inspirierte.

Muddy WatersYou Need Love

Podcasts erfreuen sich seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. Sound Opinions haben mit Great Starts einen wunderbaren Podcast ins Leben gerufen, in dem es um das Intro, die Anfänge in bekannten Songs geht. Und die Songauswahl ist richtig gut. Wer zum Beispiel mehr über Public Enemys Klassiker „The Power“ erfahren möchte, oder wie New Order den Beginn von „Blue Monday“ umgesetzt haben, sollte einschalten. Die beiden Moderatoren Greg und Jim schreiben dazu: „The first few bars of a song can make it or break it! Jim and Greg share tracks they think have great starts. They also share one song each that has an iconic ending“.

In der aktuellen Ausgabe geht es u.a. um The Temptations und ihren Klassiker „Papa Was A Rolling Stone“, um Public Enemy oder John Cale’s „Hallelujah“.

Bleibt inspiriert und bis zum nächsten Mal.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (55): Stax 1968 – A Memphis Story

Letzter Black Friday vor dem Jahreswechsel, letzter Blick zurück auf das ereignisreiche Jahr 1968 von Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog, heute mit einer Würdigung des Soul-Labels Stax Records:

Heute dreht sich alles um Stax Records. Stax Records ist ein amerikanisches Label in Memphis (Tennessee), das besonders in den Sechziger und Siebziger Jahren Trends in der Soulmusik setzte und mit dem Memphis-Soul einen eigenen Sound kreierte. Die erste Single erschien 1958. Daneben gründete Stax diverse Sub-Labels wie Volt oder Enterprise. Hintergrund war, über die Sub-Labels das Repertoire einzelner Künstler herauszubringen. So erschien  beispielsweise Otis Redding auf Volt und Isaac Hayes auf Enterprise. 1968 wurde Stax verkauft und bis zum Konkurs Mitte der 1970er waren es wechselhafte Jahre. Später wurden die Master-Tapes aufgekauft und Stax wieder reaktiviert.

Stax‘ größter Star war Otis Redding. Er hatte nur ein kurzes Leben, das am 10. Dezember 1967 im Alter von nur 26 Jahren endete, er und mehrere Mitglieder seiner Begleitband The Bar-Kays kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Kurz davor stand er beim Monterey Pop Festival 1967 zum letzten Mal auf einer Bühne, dieser famose Auftritt wurde zu seinem größten Erfolg. Jeder wusste nach diesem explosiven Auftritt: ein großer Star war geboren. Leider wurde sein größter Hit erst posthum veröffentlicht. Wenige Wochen vor seinem Tod aufgenommen, veröffentlichte Stax am 8. Januar 1968 seinen Song „(Sittin‘ On) The Dock Of The Bay“, sein erster Nr. 1-Hit in den amerikanischen Billboard Charts, weltweit ein Erfolg.

Im August 1967, auf einem Hausboot, schrieb Redding zuerst den Text. Um den Song zu vervollständigen, nahm er den Gitarristen Steve Cropper (Booker T. & The MG´s) dazu. In zwei Sessions wurde die Nummer im November und Dezember 1967 eingespielt. Cropper sagte dazu in einem Interview: „Otis was one of those the kind of guy who had 100 ideas. […] He had been in San Francisco doing The Fillmore. And the story that I got he was renting boathouse or stayed at a boathouse or something and that’s where he got the idea of the ships coming in the bay there. And that’s about all he had: „I watch the ships come in and I watch them roll away again.“ I just took that… and I finished the lyrics. If you listen to the songs I collaborated with Otis, most of the lyrics are about him. […] Otis didn’t really write about himself but I did. Songs like „Mr. Pitiful,“ „Fa-Fa-Fa-Fa-Fa (Sad Song)“; they were about Otis and Otis‘ life. „Dock of the Bay“ was exactly that: „I left my home in Georgia, headed for the Frisco Bay“ was all about him going out to San Francisco to perform.“ (Zum Nachhören: www.npr.org)

Insgesamt war es zu Beginn des Jahres 1968 eine schwierige Situation für Stax. Unglücklicherweise wurde zudem Atlantic Records an Warner Brothers verkauft. Seit 1965 vertrieb Atlantic die Veröffentlichungen von Stax. Und der Tod von Otis Redding schockierte alle Mitarbeiter. Bevor die Single herauskam, hatte Cropper die Idee, den Song mit dem Sound von Möwen und Wasserwellen beginnen zu lassen. Der Rest ist Geschichte.

So startete Stax mit einer Nummer-1-Single ins neue Jahr. Mit „I Thank You“ von Sam & Dave folgte nur wenige Tage später ein weiterer Top 10 Hit. Insgesamt hatte Stax eine beeindruckende und breite Anzahl an Künstlern am Start. Zu nennen wären William Bell, Eddie Floyd, Booker T and the MGs, Rufus und Carla Thomas, Albert King und Johnny Taylor. Nach der Ermordung von Martin Luther King im April wurde es auch in Memphis gewalttätig. Das hatte zu Folge, dass weiße Musiker von schwarzen Musiker eskortiert werden mussten, um ins Studio zu gelangen.

Und es ging weiter mit „Soul Limbo“ von der eigenen Hausband Booker T and The MG´s im Mai. Das Logo des Labels änderte sich in dieser Zeit auch. So tauschte Stax seine markante blaue Farbe gegen einen gelben Finger aus. Johnny Taylor hatte mit „Who´s Making Love“ einen weiteren Hit. Als Sam & Dave zu Atlantic gingen, holte Stax die Soul Children an Bord, um die Lücke zu füllen. Neue Künstler wie die Staple Singers wurden unter Vertrag genommen.

Nun ist eine üppige Box mit 5 CDs erschienen: „Stax ’68 – A Memphis Story from Stax“. Craft Recordings hat alle Singles aus dem Jahr 1968 zusammengetragen. Es finden sich mehr als 120 Songs in der Box. Stax schreibt dazu: „2018 marks the 50th anniversary of a pivotal year for Stax Records and for American history: 1968. This period immediately follows the untimely passing of Otis Redding; it’s the year that Stax parted ways with Atlantic Records, and it’s also when Martin Luther King was assassinated in Memphis. This 5-disc CD box set compiles every single (A- and B- sides) released on Stax and its subsidiary labels in ’68–over 120 iconic songs from era-defining artists, including Otis Redding, The Staple Singers, William Bell, Booker T. and the M.G.’s, Carla Thomas, Johnnie Taylor, Albert King, Isaac Hayes, Linda Lindell, Rufus Thomas and many more.“ (Quelle: staxrecords.limitedrun.com)

Hier folgt eine kleine Auswahl aus mehr als 120 Songs aus dem Jahr 1968. Natürlich zu Beginn mit dem Hit des Jahres von Otis Redding.

„Sittin‘ in the mornin‘ sun
I’ll be sittin‘ when the evenin‘ comes
Watchin‘ the ships roll in
Then I watch ‚em roll away again, yeah
I’m sittin‘ on the dock of the bay
Watchin‘ the tide roll away, ooo
I’m just sittin‘ on the dock of the bay
Wastin‘ time.“

Otis Redding(Sittin‘ On) The Dock Of The Bay

Booker T. & The MG’sHang ‚Em High

Sam & DaveWrap It Up

Eddie FloydBig Bird

Bar-KaysA Hard Day’s Night

Rufus ThomasThe Memphis Train

Delaney & BonnieIt’s Been A Long Time Coming

The Staple SingersLong Walk to D.C.

Johnnie TaylorWho’s Making Love

Bis zum nächsten Mal.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (54): Black Power Salute

Black Friday, heute mit einem Rückblick von Freiraum-Blogger Stefan Haase auf die Geschichte des „Black Power Salute“:

Am 12. Oktober 1968 wurden die Olympischen Spiele in Mexico-Stadt eröffnet, vor dem Hintergrund weltweiter politischer Krisen. Die Welt schaute zu, als die US-amerikanischen 200-Meter-Läufer Tommie Smith (Gold) und John Carlos (Bronze) während der Siegerehrung ihre Fäuste als Geste des Widerstands hochreckten. Gegen Rassenunterdrückung. Für Menschenrechte. Wie wichtig Bilder sind, sieht man an diesem im Foto festgehaltenen Moment. Es wurde zur Ikone.

Im Vorfeld der Spiele kam es zu massiven, gewalttätigen Ausschreitungen. Bei einer Studentendemonstration, zehn Tage vor Eröffnung der Spiele, gab es mehr als 300 Tote. Dazu kamen noch die Demonstrationen in den USA gegen den Vietnam-Krieg. Es brodelte, und die Stimmung war explosiv im Herbst 1968.

Die Geste der beiden Sportler überdauert bis heute. Der „Black Power Salute“ ging in die Geschichte ein. Beide US-Sportler reckten bei der Siegerehrung eine Faust mit einem schwarzen Handschuh in die Höhe, die Köpfe gesenkt, sie standen barfuß auf dem Siegerpodest. Smith und Carlos demonstrierten gegen die nach wie vor anhaltende Ausbeutung und Diskriminierung der Schwarzen in den USA. Für diese Geste wurden beide Sportler vom Internationalen Olympischen Komitee IOC abgestraft und von den Spielen verbannt. Zurück in den USA wurden sie nicht als Helden gefeiert. Sie verloren nahezu alles, und es dauerte lange, bis sie wieder ein normales Leben führen konnten.

In einem Interview äußerte sich Tommie Smith über diese Geste: „I view it as a cry for hope. I view it as a structural need to assess the power of a system we didn’t have. We thought it was high time for the young black athlete who was sought out to talk, who was seen on a level, to speak out towards proactivity that wasn’t happening in the system. This was one of our ways to say we couldn’t speak, because we didn’t have a platform. We only had a platform to be seen.“

Jahrzehnte später wird die ikonenhafte Fotografie immer wieder in der Popmusik verwendet. Zum Beispiel bei Rage Against The Machine („Testify“, 2000), Kendrick Lamar („HiiiPoWeR“, 2011) und in den Videos „The Story Of OJ“ von JAY-Z, „Fight The Power“ von Public Enemy und „The Space Program“ von A Tribe Called Quest. Und man denke an den 2016-Auftritt von Beyonce beim Super Bowl, zu dem die Themen „Black Lives Matter“ und „The Black Panthers“ im Mittelpunkt ihrer Aufführung standen.

1968 war für Amerika ein gewalttätiges Jahr. Im April wurde Martin Luther King erschossen, wenige Wochen später Robert F. Kennedy, und zum Ende des Jahres wurde Richard Nixon zum neuen US-Präsidenten gewählt. Im Zuge der politischen Attentate gab es auch eine starke Bewegung der Black Panther. Gerhard hatte darüber schon ausführlich geschrieben. Zum Nachlesen- und hören klickt bitte hier.

Was 1968 noch passierte: Johnny Cash feierte ein fulminantes Comeback mit seinem Konzert im Folsom State Prison in Kalifornien. Bands wie Black Sabbath, Led Zeppelin, Deep Purple, King Crimson wurden gegründet. Während in den deutschen Hitparaden Heintje und Peter Alexander dominierten, führten in England die Beatles mit „Hey Jude“ und die Rolling Stones mit „Jumpin‘ Jack Flash“ die Charts an. Und in den USA fanden sich auf den Jahreslisten Otis Reddings „Sittin On The Dock Of The Bay“ und Louis Armstrong  mit „What A Wonderful World“. Es war ein bewegtes Jahr. Passend dazu eine Auswahl von Songs zum Thema Black Power.

Auch in meinem nächsten Beitrag komme ich auf 1968 zurück. Obwohl Otis Redding bereits 1967 starb, hatte er 1968 seinen größten Hit. Beim nächsten Mal geht es um das legendäre Südstaaten-Label Stax Records, zu dem aktuell eine üppige Box erschien.

Staple SingersFor What It´s Worth

Mahalia JacksonTake My Hand, Precious Lord

The TemptationsBall Of Confusion

Marvin GayeI Heard It Through The Grapevine

James CarrFreedom Train

Queen Esther MarrowThings Ain’t Right

Chambers BrothersTime Has Come Today

The Last PoetsWhen The Revolution Comes

Nina SimoneMy Sweet Lord & Today Is A Killer

Aretha FranklinRespect (Live)

Peace und Soul.

Stefan aka Freiraum.

Soul Family Tree (53): Jerry Wexler

Black Friday, heute mit einem Beitrag von Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog über den vor 10 Jahren im hohern Alter von 91 Jahren verstorbenen Musik-Journalisten Gerald „Jerry“ Wexler, der als Platten-Produzent zahlreiche Größen des Rhythm and Blues betreute.

Jerry Wexler wurde in der New Yorker Bronx geboren. In den 1940er Jahren tauchte er in das Nachtleben des Big Apple ein und traf dabei auf Künstler wie Ella Fitzgerald. Dabei lernte er vor allem schwarze Musikgruppen kennen. Über Umwege kam er als Journalist 1949 zum Billboard-Magazin, wo er den Ausdruck „Rhythm and Blues“ kreierte. Billboard übernahm den Begriff und nannte die vormaligen Race Charts fortan Rhythm & Blues-Charts.

In den 1950er Jahren heuerte Wexler beim Label Atlantic Recordings an und nahm Stars wie Ray Charles, LaVern Baker, The Drifters, Solomon Burke und viele andere unter Vertrag. Er gründete diverse Sublabels. In den Sechzigern war Atlantic das wichtigste Plattenlabel für schwarze Musik. Inspiriert von Stax Recordings in Memphis, insbesondere durch deren Hausband Booker T. & The MG´s, nahm Jerry Wexler in den berühmten Muscle Shoals Studios eine Vielzahl sehr erfolgreicher Platten auf. Unter anderem nahm er die damals noch unbekannte Aretha Franklin unter seine Fittiche. In dieser Zeit produzierte er Welt-Hits. Vor allem Percy Sledges „When A Man Loves A Woman“ und natürlich Aretha Franklins „Respect“ wurden millionenfach verkauft.

Nachdem Atlantic verkauft wurde, blieb Wexler Angestellter. Doch er arbeitete weniger für das Label, kümmerte sich verstärkt um Criteria Records und engagierte Künstler wie Donny Hathaway, Roberta Flack und Aretha Franklin. In den 1970er Jahren nahm er sich auch der Rockmusik an und versorgte The Allmann Brothers, Dr. John und andere mit Plattenverträgen. In den Siebzigern wechselte er zu Warner, und mit ihm konnten neue Bands wie die Dire Straits oder The B-52s dort Fuss fassen und ihre Alben veröffentlichen. In den 1980er Jahren arbeitete er u.a. mit Bob Dylan und Willie Nelson zusammen. Später zog er sich aus dem aktiven Geschäft zurück.

1987 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und in 2017 in die Rhythm & Blues Hall of Fame. Vor 10 Jahren, im August 2008, ist Jerry Wexler mit 91 Jahren in Florida gestorben.

Wer Jerry Wexler in eigenen Worten sehen und hören möchte, dem sei folgendes Interview empfohlen: Rock and Roll/ Interview with Jerry Wexler

„My name is Jerry Wexler and what I do is produce phonograph records. What has come to be known as the soul era which was merely another form of rhythm and blues at the time because of its emphasis on so-called spiritual feeling and gospel music and hopeful and positive messages and which had been initiated by Ray Charles and Aretha Franklin and developed by people like Ben E. King, Solomon Burke, Wilson Pickett, the Sweet Inspirations, Arthur Connolly, Otis Redding and so on, there’s an incredible roster but I had a hunch that it was grinding to a shuddering halt because of changes in the cities, changes in interrelationships and most of all the assassination of Dr. King everything ground to a really shuddering halt and that was the end of it.“

Und dank BBC kann man ein John Peel Special aus dem Jahr 1999 über Jerry Wexler noch einige Tage nachhören, inklusive Interview.

Für seine Tätigkeit als Produzent ist die Bezeichnung „Gigant“ nicht übertrieben. Er nahm nicht nur Künstler unter Vertrag, sondern verpasste ihnen auch ihren eigenen Sound. In der Songauswahl habe ich mich auf seine Zeit bei Atlantic konzentriert. Die folgenden Nummern (youtube-Links) sind alle von Jerry Wexler produziert:

Big Joe Turner – Shake Rattle And Roll

Wynonie Harris – All She Wants To Do Is Rock

LaVern Baker – Tweedle Dee

Solomon Burke – Everybody Needs Somebody To Love

Otis Redding – I Can’t Turn You Loose

Bob Dylan – Gotta Serve Somebody (Take 1 – „Slow Train Coming“ Studio Outtake)

The Allman Brothers Band – Statesboro Blues (Live 1971)

Dr. John – Stack-A-Lee

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum