Jonathon Linaberry

The Bones Of J.R. Jones + Sebastian Dega @ Unter Deck, München, 2018-10-16

Blood is pumping
Hundred miles an hour
(The Bones Of J.R. Jones, Hearts Racing)

Dichtes Gedränge am Dienstagabend im Münchner Innenstadt-Club Unter Deck, Hut ab vor Veranstalter Jörg Dahl, der Mann und seine helfenden Hände vom Event-Büro Still Or Sparkling? haben da mehr als ordentliche Arbeit geleistet zur Bewerbung und Präsentation der München-Premiere von Jonathon Linaberry aka The Bones Of J.R. Jones, voller Saal für die großartige One-Man-Band aus Brooklyn, so muss es sein.
Löblich hervorzuheben in dem Zusammenhang auch das zusätzlich installierte, erhöhte Podest zum Bühnenaufbau, so dürften auch die hinteren Reihen im ausverkauften Auditorium noch in den optischen Konzert-Genuss gekommen sein, die Haltungsnoten für die Organisation könnten somit zu der Veranstaltung nicht besser ausfallen.

Bevor der Hauptact die Bühne enterte, eröffnete der Berliner Songwriter Sebastian Dega den Abend mit einem kurzen und prägnanten solistischen Set, mit einer überschaubaren Handvoll an Nummern wusste der sympathische Akustik-Gitarrist schnell und zeitlich knapp bemessen für seinen Vortrag einzunehmen. Eine mild-rauchige Stimme, ausgewiesene Picker- und anderweitige ausgeprägte technische Fertigkeiten auf den sechs Saiten zeichneten das geerdete Musizieren des Barden aus. Mit einer stilistischen Bandbreite an klassischem, drängendem Folk, stimmungsvollen Alternative-Country-Anleihen und einer Old-Time-Rückschau auf relaxten Western-Swing und Ragtime-Blues zeigte sich Dega in bester Spiellaune, die auch vom lauten Geschwätz des schändlich unaufmerksamen Besucher-Anteils nicht getrübt werden konnte. Angenehmer erster Eindruck vom Schaffen des Berliner Nachwuchs-Roots-Musikers, gerne bei Gelegenheit wieder, auch in ausgedehnterer Form zur umfänglicheren Würdigung.

Beim Privatkonzert von The Bones Of J.R. Jones somewhere out of Rosenheim Anfang 2017 hat seinerzeit schwer vermutlich die obstinate Nachbarin dafür gesorgt, dass der Gig im Wohnzimmer der Oma von Gastgeber Mark Icedigger zu einem beseelten Folk-Konzert der tendenziell eher leiseren und filigranen Töne geriet, was der herausragenden Qualität des Vortrags bei einem Könner wie Jonathon Linaberry selbstredend keinen Abbruch tat, am Dienstag im Unter Deck präsentierte sich der New Yorker dann in full flight bei seinem allerersten Münchner Gastspiel, die Zuhörerschaft im proppenvollen Souterrain-Club ging von Minute eins an nicht mehr von Bord resp. von der Leine beim beherzten Aufspielen der One-Man-Kapelle von Jones/Linaberry, der Americana-Spezialist zeigte zu der Gelegenheit im zuforderst rohen, intensiven Stomp-Blues-Anschlag eindrucksvoll, dass er sich vor herausragenden Ausnahme-KünstlerInnen des Deep-Blues-/Muddy-Roots-Genres wie der geschätzten Molly Gene und ihrer One Whoaman Band oder dem ebenso hochverehrten Reverend Deadeye keinesfalls verstecken muss, die noch jungen Knochen des J.R. Jones barsten an diesem Abend vor Energie, wirbelten über Basstrommel und Hi-Hat des rudimentären Schlagwerks und ließen den Bottleneck scharf über die Saiten der halbakustischen Resonator-Gitarre schrammen, dazu loopte Linaberry die Riffs und stimmte seine erschüttenden Klagelaute im Gedenken uralter Blues-Howler an. Das Publikum fand sich zuweilen unvermittelt in der Trash-Garage wieder, in der sich zahllose Geister und Dämonen der endlosen amerikanischen Highways und Prärien tummelten, ihre unheimlichen Southern-Gothic-Geschichten von verblassten Hoffnungen, finsteren Geheimnissen und unwirtlichen (Seelen-)Landschaften erzählten und sich den Träumen von längst verfallenen Whiskey-Kaschemmen und Blues-Scheunen aus Zeiten der Prohibition hingaben. The Bones Of J.R. Jones wusste mit dieser rohen Gangart – die sich auf Stücken wie „The Drop“ vom aktuellen Tonträger „Ones To Keep Close“ bereits andeutete – zu überzeugen wie auch durchaus zu überraschen, wer das ureigene, von den ersten Tonträgern gewohnte Downtempo-Crossover aus Alternative-Country-Grübeln, Appalachen-Bluegrass-Finessen und inbrünstiger, kantiger Gospel-/Roots-Blues-Emotion erwartete, fand sich nur punktuell wieder im sporadisch angespielten, Herz- und Gemüts-anrührenden Liedgut und in den leiseren Tönen, etwa mit der nachdenklichen Ausnahme-Ballade „Hearts Racing“, der glänzend gelaunte Linaberry wollte an diesem Abend in erster Linie den mitreißenden Publikums-Anheizer geben, und das ist ihm – den euphorischen Reaktionen auf der Tanzfläche und dem überschwänglichen Applaudieren nach zu schließen – auch bestens geglückt.
Der amerikanische Indie-Songwriter spielte am Dienstagabend neben seinen nachweislich herausragenden musikalischen und kompositorischen Talenten einmal mehr alle seine Trümpfe als fescher und schwer für sich einnehmender Entertainer aus, auf der Bühne wie später beim individuellen Austausch am Merch-Stand, das dürfte auch den überdurchschnittlichen Anteil an schönen Frauen im Publikum an diesem Abend erklären, man mag sich das Bild gar nicht ausmalen, in dem sich der Mann in einer anderen Welt als Mainstream-Crooner vor ein-zweideutigen Angeboten nicht mehr retten kann, Gottlob ist er mit seinem Musizieren nach wie vor unbeirrbar auf der richtigen Seite des East River unterwegs, vom Meister selbst in der letzten Zugabe mit einer Verneigung vor dem großen Delta-Blues-Urahnen Son House unterstrichen.
Jonathon Linaberry hat in den vergangenen zwei Jahren vom Wohnzimmer der Icedigger-Oma einen Riesen-Sprung auf das Podium mit dem Anker im Unter Deck in Sachen Bühnenpräsenz und offensiver, extrovertierter Garagen-Blues-Vehemenz getan, und sollten ihn seine Wege dereinst doch noch auf die großen Konzerthallen- und Stadien-Bühnen führen, so bleibt uns zwar nicht immer Paris, so wie einst Frau Bergman und Herrn Bogart, aber doch diese jeweils auf ihre eigene Art großartigen Oberbayern-Abstecher nach München und Rosenheim in der noch jungen Karriere von The Bones Of J.R. Jones…

Jonathon Linaberry / The Bones Of J.R. Jones ist im näheren und weiteren Umland im Rahmen seiner Europa-Tournee noch zu folgenden Gelegenheiten live zu genießen, do yourself a favour:

23.10.Luxembourg – De Gudde Wëllen
24.10.Stuttgart – Merlin Kulturzentrum
25.10.Köln – Bumann & Sohn
26.10.Amsterdam – Q-Factory
27.10.Bremen – Karton
28.10.Copenhagen – Ideal Bar
29.10.Berlin – Monarch

Still Or Sparkling? präsentieren in den kommenden Monaten folgende Veranstaltungen, auch sehr knorke:

21.11.Molly Burch – München – Unter Deck
04.12.Lera Lynn – Köln – Blue Shell
06.12.Lera Lynn – München – Unter Deck
03.02.Jimi Tenor & Band – München – Rote Sonne
07.02.Daniel Knox – München – Heppel & Ettlich

Konzert-Vormerker: The Bones Of J.R. Jones

„If you’re looking for something simple to play in the background, then look elsewhere.“

Dank den Konzert-Veranstaltern von Still Or Sparkling? zum ersten Mal in München, man/frau lobe und preise sie dafür immerdar: Jonathon Linaberry aka The Bones Of J.R. Jones wird sich am 16. Oktober als One-Man-Band auf der Bühne des Unter Deck die seltene Ehre geben, nebst älteren Preziosen mit den Nummern seines im Sommer veröffentlichten, aktuellen Albums „Ones To Keep Close“ im Gepäck, und trotz großstädtischer Herkunft aus Brooklyn/New York die Geister der alten, unheimlichen amerikanischen Prärie, des Southern Gothic und der Südstaaten-Sümpfe beschwören, wie dazu kaum ein zweiter befähigt ist, in seiner unnachahmlichen, schwerst beseelten und anrührenden Mixtur aus Old Time Americana, Alternative Country, Swamp Blues und rohem Garagen-Folk.
Diejenigen, denen vor knapp zwei Jahren die Gnade eines privaten Bones-Auftritts nahe Rosenheim zuteil wurde, werden durch kein Grab und keine zehn Pferde vom erneuten Besuch abzuhalten sein, und alle anderen, die den grandiosen Meister der emotionalen und virtuosen Balladen-, Gospel- und Moritaten-Predigten bisher nur via Tonträger oder im schlimmsten Fall bis dato überhaupt nicht angedient bekamen, müssen sowieso rein ins Unter Deck, nächste Woche…

The Bones Of J.R. Jones, Unter Deck, Oberanger 26, München, 16. Oktober 2018. 20.00 Uhr.

The Bones Of J.R. Jones @ Mark Icediggers Home, Out Of Rosenheim, 2017-01-13

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Jonathon Linaberry aus Brooklyn/New York schickte sich an, das alte Europa erstmals konzertant mit seinem One-Man-Band-Projekt The Bones Of J.R. Jones zu bereisen, ohne in Ober-, Unter- oder sonstigem Bayern Station zu machen, ein Umstand, den die Rosenheimer Konzertveranstalter Andreas Neck und Mark Icedigger nicht gut heißen konnten. Bones-Fan Neck setzte beim Booker des Künstlers alle Hebel in Bewegung, um Agentur und Musiker trotz anfänglicher Skepsis von der Veranstaltung eines Hauskonzerts zu überzeugen, zumal die traditionell genutzte Rosenheimer Asta-Kneipe zwecks anderweitiger Belegung als Austragungsort nicht zur Verfügung stand, Mark Icedigger stellte trotz Bedenken der Nachbarschaft das heimische Wohnzimmer und die Gardinen der Oma als Bühnendeko zur Verfügung und lud die Julia, die Mo, den Chicken, den k.ill, den Hamperer vom Kulturforum und einen ganzen Schwung weiterer netter Leute zum Beiwohnen des rundum gelungenen Konzertabends in die heimischen vier Wände. Ein wunderbares Beispiel, was trotz widrig-schwieriger Startbedingungen alles geht, wenn sich der entsprechende Enthusiasmus für die Sache Bahn bricht.
Musiker Linaberry trug erwartungsgemäß das Seine zum Gelingen dieses winterlich-eingeschneiten Freitagabends bei, nach kollektiver Einnahme der gereichten Snacks inklusive Verköstigung der restlichen Dachs-Bräu Raut-Oak Special Edition nahm der junge Mann hinter der Basstrommel Platz und beglückte das kundige Publikum für die nächsten gut eineinhalb Stunden auf das Angenehmste. Bereits im vergangenen April war an dieser Stelle nur Löbliches vom Album „Spirit’s Furnace“ (2016, Tone Tree Music) zu vermelden, konzertant packte The Bones Of J.R. Jones noch eine Ladung zusätzlich an Intensität, Emotion und Spielfreude in den Vortrag seiner tiefgehenden, nachdenklichen, oft auch latent düsteren Songtexte, ein König der beseelten Ballade, ein Meister der Slide-Resonator-Gitarre, versiert im Banjo-Bluegrass, letzteres sehr zur Freude von Veranstalter Andreas Neck, auf dessen Instrument der hochsympathische Musikant sein favorisiertes Stück „Bless Your Soul“ zum Vortrag brachte.
Lange hat es nicht mehr so viel Vergnügen bereitet, einen kundigen Wanderer zwischen ergreifender Folk-Balladenkunst, schweren Underground-/Muddy-Roots-Blues-Tunes und gewichtigen Alternative-Country-Moritaten auf seiner Reise zu begleiten, der Mann aus Brooklyn bewies neben dem Vortrag seiner eigenen Werke auch bei der Auswahl des vorgetragenen Fremdmaterials aus der Feder von Delta-Blues-Fingerpicking-Legende Skip James und von Blues-/Garagen-Trash-/Jon-Spencer-Spezi R.L. Burnside Stilsicherheit und eine geschickte Hand.
Die Garderobe lagerte in der Zwischenzeit auf der im Icedigger-House untergestellten Orgel von Blues-Drone-Preacher James Leg, jener wird uns dann ab März zu verschiedenen Gelegenheit den Weg heimleuchten, aber das ist dann eine andere Geschichte…
Very special thanks an Andreas, Mark, Andrea, k.ill.
(***** – ***** ½)

The Bones Of J.R. Jones spielt heute in Dresden im Ostpol, weitere Termine der Tour:

18.01.Hamburg – Astra Stube Musikkultur e.V.
19.01.Dortmund – Hafenschänke Subrosa
20.01.Köln – Die Wohngemeinschaft

Reingehört (159)

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The Bones Of J.R. Jones – Spirit’s Furnace (2016, Tone Tree Music)
Der hat schon ein paar Sachen rausgehauen in der Vergangenheit, schändlicherweise bisher sträflich vernachlässigt: Jonathon Linaberry aus Brooklyn/New York, seit seiner nicht mehr existenten Beteiligung am Folk-Duo The Feverfew als One-Man-Band unterwegs, hat sich für das aktuelle Album für ungefähr die Hälfte der Titel mit einem Schlagzeuger verstärkt zum Predigen seiner Roots-Blues- und Country-Messen, sein mit Gospel-Anklängen und gespenstischem Appalachen-Banjo-Bluegrass versetzter, roher Traditionsmusik-Ansatz schafft den Spagat, auf der einen Seite flott, treibend und kantig zu klingen, oft im selben Song beschwört der individuelle Sound durch seinen schweren Blues-Geist Bilder von der dunklen Seite Amerikas herauf, von Zorn und Verzweiflung getrieben, wer das Buch von Greil Marcus über Dylan’s Basement Tapes „Basement Blues: Bob Dylan und das alte, unheimliche Amerika“ gelesen hat oder die Musikdokumentationen von Marc A. Littler kennt, dürfte eine ungefähre Vorstellung haben von der Herangehensweise Linaberrys zur musikalischen Umsetzung seiner düsteren Themen.
Die Songs gebärden sich mitunter wie Folkways-Field-Recordings-Material aus der hintersten Walachei der Staaten, circa Great-Depression-Ära vor dem Zweiten Weltkrieg, und bereichern das aktuelle Geschehen im weiten Feld des amerikanischen Folk doch ungemein. Verdient Beachtung, wiederholtes Hören und weite Verbreitung. „If you’re looking for something simple to play in the background, then look elsewhere.
(**** ½ – *****)