Oregon

Reingehört (511): Death Will Tremble To Take Us

From his early days recording with cheap guitars and 4 track cassette recorders, James Randolph Fouty has always been able to capture moments that seem to stand still in time.
(Fluttery Records)

Death Will Tremble To Take Us – Death Will Tremble To Take Us (2019, Fluttery Records)

Erste Veröffentlichung aus dem Hause Fluttery Records im Jahr 2019, ein Postrock-Album, wer hätte es vermutet? ;-)) Death Will Tremble To Take Us ist das neue Solo-Projekt von James Randolph Fouty, der Musiker aus Portland/Oregon ist dem kalifornischen Indie-/Experimental-Label bereits seit der früheren Veröffentlichung diverser Postrock/Neoklassik-Arbeiten unter der Firma Sleeping Horses verbunden.
Sucht man im Netz nach weiteren Infos zum neuen Projekt des experimentellen Soundtüftlers, ist schnell das Ende der Fahnenstange erreicht, umso häufiger stolpert man über das Zitat „We are here to laugh at the odds and live our lives so well that Death will tremble to take us“ von Charles Bukowski, seinen Ergüssen zu Atheismus und Religion entlehnt, gut möglich, dass sich Fouty zwecks neuem Projektnamen beim Underground-Schwerenöter mit dem überschaubaren schriftstellerischen Talent bedient hat. Wie auch immer, seine Chance zu einem ordentlichen Instrumental-Wurf hat der junge amerikanische Record Artist mit dem neuen Tonträger ohne Zweifel genutzt, damit sollte es selbst für das ergriffene Erschaudern des Sensenmanns reichen. Das selbstbetitelte Debütalbum unter neuem Namen enthält eine ansprechende Mixtur aus kurzen, schrägen Folk-Tunes, die als Field Recordings im LoFi-Do-it-yourself-Gewand aufwarten, im Wesentlichen vor allem eine abwechslungsreiche Symphonie an repetitiven Gitarren-Meditationen, die als Genre-typische Postrock-Sound-Wände und nachhallende, berauschende Crescendi ihren hypnotischen Sog unbeirrt zur Wirkung bringen, daneben kontrastreiche, komplexe Electronica-/Ambient-Klangskulpturen, die nicht selten an den sphärischen Krautrock der Urzeiten anlehnen. Mit diesem Konglomerat gelingt James Randolph Fouty ein geschicktes Umschiffen des Eindimensionalen, das handelsüblichen Postrock-Arbeiten gerne innewohnt, wenn er auch – wie viele Geistesverwandte – sein ausgeprägtes Gespür für ergreifende Dramatik vor allem in den von lärmenden Gitarren dominierten Passagen mittels instrumentaler, sich in der Intensität permanent steigernder Melodik offenbart.
„Death Will Tremble To Take Us“ ist seit Ende Januar über den Musikalien-Fachhandel und diverse Streaming-Dienste zur allgemeinen Erbauung verfügbar.
(*****)

Raut-Oak Fest 2018 @ Riegsee, 2018-06-09

Tag 2 Raut-Oak Fest 2018: Nach erneutem Transit München/Riegsee via Garmischer Highway am frühen Samstag-Nachmittag wieder ins Festival-Geschehen eingestiegen. Die beiden ortsansässigen Combos Abyssy und Optimal Standard mussten wegen anderweitiger Verpflichtungen ungehört/unbesehen bleiben, mit der dritten bundesrepublikanischen Beteiligung im Tagesprogramm hätte es sich auch gerne so verhalten dürfen, dazu später mehr.

Zunächst jedoch zu weitaus einnehmenderen Operetten: Mit dem Duo Freight Train Rabbit Killer aus Kansas City standen zwei wundersame wie einzigartig verkleidete Blues-Männer auf der Raut-Oak-Bühne. Kris „Freight Train“ Bruders und Mark „Rabbit Killer“ Smeltzer bezeichnen ihre Kunst selbst als Doom Blues und Apocalyptic Roots Music, eine Trash-Blues-Spielart des Southern Gothic, finstere Geschichten von der anderen Seite des Lebens erzählend, dunkle Moritaten im religiösen, mystischen, alttestamentarischen Kontext, die Bilder vom Teufel, von Selbstjustiz, von zweifelhaften Kaschemmen in the middle of nowhere und Dunst-verhangenen Sumpflandschaften heraufbeschwören. Der Schamane vom Hügel und der gesetzlose Rächer sind die „band that will play the party after the world ends“, und wenn’s dann dort inklusive seltsamer, bizarrer Hasen- und Outlaw-Maskierungen und hart angeschlagener Gitarrensaiten genau so schwarzhumorig zugeht wie am vergangenen Samstag, soll uns vor dem Jüngsten Tag nicht mehr bange sein. Gebt mir ein „Amen“ und ein „Satan, the kingdom is calling you home“.

Der Güterzug und der Karnickel-Killer haben mit ihrem vehementen Krach-Blues-Exorzismus das Feld für die Molly Gene One Whoaman Band bestellt und die gute Molly vor ihrem eigenen Vortrag bereits partiell in ihr finsteres Schwadronieren eingebunden, so war der Übergang vom Low-Budget-Kostümball zum intensiven One-Woman-Band-Trashen ein fließender. Die junge Frau aus Warrensburg/Missouri trieb mit Fußtrommel, Halbakustischer und National Resonator Gitarre den Delta-Blues in die vollgemüllte Garage und zerpflückte ihn dort auf das Brachialste, was für sich besehen bereits ein respektables Unterfangen war, immer dann jedoch, wenn die amerikanische Midwestern-Schönheit ihr nach Schmutz, harten Drinks und vielen weggeschmauchten Kippen klingendes Intensiv-Blues-Sangesorgan zum Einsatz brachte, musste man notgedrungen zweimal hinsehen und verwundert die Augen reiben ob der Tatsache, dass ein derart lärmendes, raues Fauchen und Herausschreien aus einer dergestalt zierlichen Person grollen mag, hört, hört.
Nicht für möglich gehaltene Intensitäts-Steigerung sodann nach sehr gelungenem Solo-Vortrag durch Hinzugesellen von Jay Linhardt an den Drums, der wie Molly Gene in Warrensburg ansässige Raut-Oak-Soundmixer trieb mit einem kompromisslosen Trommelanschlag den Trash-Blues in Richtung Heavy-Rock, die Duo-Benamung Doomblues haben sich die beiden Musizierenden damit redlich verdient.

Das Duo Hopeless Jack aus der Dead-Moon-Heimat Portland/Oregon ließ in Sachen flotte Bühnenshow, schöne Tätowierungen und tanzbares Blues-Trash/Roots/Rock’n’Roll-Gebräu nichts anbrennen, Jack Beisel – Wiener Gastronomen dürften allein bei diesem Familien-Namen in Verzückung geraten – an Rasiermesser-scharfer Slide-Gitarre und sein Kompagnon Spencer York an den Drums ergingen sich in beschwörenden Blues-Howlern über die Unebenheiten des Lebens in der Tradition vom frühen Cash, alten Mississippi-Größen und den krachenden Crypt-Records-Bands. Guter, unverstellter, spielfreudiger Live-Spaß vor und auf der Bühne, der das Volk zum Abhotten und die Musiker zum Fliegen brachte.

Am späten Nachmittag ein absolutes Festival-Highlight: Im Vorjahr gestaltete Sänger/Gitarrist Ben Todd den Auftritt von Lonesome Shack solistisch als Verneigung vor den großen Altvorderen des Country- und Delta-Blues mit einem zeitlosen, entspannten wie exzellenten Akustik-Vortrag, in diesem Jahr nun Lonesome Shack in full flight als Trio mit den kongenialen Musikern Luke Bergman am unvergleichlich groovenden Bass, Kristian Garrard an virtuos treibenden Drums und selbstredend nicht zuletzt einem im Saiten-Anschlag glänzend aufgelegten Ben Todd, der neben seinem stets latent klagenden Vokal-Vortrag seine elektrische Gitarre im herrlichen Fluss zum Singen brachte. Wo die Hopeless-Jack-Kameraden im vorangegangenen Auftritt noch maximalst aufs Blech hauten hinsichtlich extrovertierter Show und ruppigem Saitenanschlag, boten die drei Sympathieträger von Lonesome Shack das Kontrastprogramm: freundliche, entspannte Ansagen und ein auf das eigene Musizieren konzentriertes Tun, mit dem die Band die perfekte Balance zwischen roher Delta-/Garagen-Blues-Kraft, „Haunted Boogie“ und einem gefangen nehmendem Flow zauberte, der nicht selten an den Trance-Blues und die Wüsten-artige Mystik der Tuareg-Bands aus der Sahara-Wüstenregion erinnerte – womit sich letztendlich der Kreis zwischen nord/westafrikanischem Ursprung und Weiterentwicklung des Blues auf der anderen Seite des Atlantiks schloss. Lonesome Shack: immer ein musikalischer Hochgenuss, ob solo, im vollen Band-Ornat oder auf exzellenten Tonträgern wie „The Switcher“, „More Primitive“ und dem grandiosen Live-Dokument „City Man“.

Mit Andrew McGibbon Jr und Chris McMullan aus der nordirischen Provinz Ulster und ihrem Power-Duo The Bonnevilles sodann altbekannte und gern gesehene Raut-Oak-Gäste – einmal mehr ein Energie-geladener Auftritt der beiden Gentlemen, der befeuert von einem stoisch immer weiter treibenden, nie aufgebenden Rhythmus, ultrascharfen Gitarren-Riffs und einem leidenschaftlichen, überschwänglichen Vortrag mit einem pikant kredenzten Hardblues/Pubrock/UK-Punk-Gebräu vornehmlich unter Verwendung der Zutaten des aktuellen Albums „Dirty Photographs“ die Hörerschaft in Öl-verschmierte Garagen, Zigaretten-gegerbte Pubs und raue Arbeiterviertel-Hinterhöfe versetzte, dorthin, wo das Leben hart, ungeschminkt und mit der direkten Wucht konfrontiert – wer könnte einen besseren Soundtrack dazu spielen als die Bonnevilles? Hart abrockende, Bewegungsdrang-fördernde Mitzuck-Abtanz-Shake-Your-Moneymaker-Garantie inklusive. Musik muss nicht kompliziert sein, es geht auch direkt in the face, nice and easy in der konzertanten Rundum-Bedienung.

Und dann war’s mal wieder höchste Zeit für etwas Regen. Wo das Line-Up für 2018 beim Raut Oak extra dick aufgetragen wurde, mochte sich der Wettergott auch nicht lumpen lassen und gab zum Vortages-Wüten eine abnässende Zugabe, die den offiziellen Festival-Betrieb erneut für ein paar weitere Stunden in die Warteschleife schickte, oder, für einen spontan zusammengekommenen kleinen Zirkel, in eine nahe gelegene Scheune, wo Almost-Boheme-Best-Buddy k.ill die harten Drinks seiner 24/7-Open-Tiki-Bar aus dem Limousinen-Kofferraum direktemang unters Volk brachte, doch damit nicht genug, durch eine glückliche Fügung des Schicksals waren auch die Freunde der Donkeyhonk Company nicht weit, und so improvisierten Wig Drumbeat, Lametto und Don Pedro mit sporadischer Unterstützung des unbekannten Blues-Harp-Spielers aus dem Hintergrund kurzerhand einen Jam-Gig in the wooden barn mit einer Handvoll eigener Perlen aus dem Honkrock/Bluegrass/Muddy-Roots-Fundus und einer Auswahl an Traditionals aus der reichhaltigen und wundersamen Welt des amerikanischen und irischen Folk. „Nichts Schlechtes, das auch was Gutes hat“ heißt es immer, und so hat uns der Regenguss unverhofft ein paar intensive und schöne Live-Momente beschert, wie so manchem wohl auch einen dicken Schädel mit dem einen berühmten Schnaps zuviel…

Nach dem obligatorischen Festival-Regen dann das Konzert, das selbigem gerne komplett und ersatzlos zum Opfer hätte fallen dürfen. Auch auf die Gefahr hin, mit der Meinung bei Weitem nicht Mehrheits-fähig zu sein: Die Berliner Combo Odd Couple und das Kulturforum werden in diesem Leben wohl keine dicken Freunde mehr. Was sich vor Wochen bei mehrfachem Tonträger-Abhören andeutete und zu obstinater Haltung hinsichtlich Rezension führte, bestätigte sich im konzertanten Vortrag des zum Live-Trio gewachsenen Duos aus der Bundeshauptstadt. Dabei war der Start in den vom anhaltenden Nieselregen begleiteten Gig ein vielversprechender, mit einer energetischen Uptempo-Nummer deutete die Band an, dass sie durchaus zu Brauchbarem befähigt ist – nur um im weiteren Verlauf in einem zwar intensiven, letztendlich aber doch austauschbaren Prog-/Kraut-/Psychedelic-Brei und in stumpfem Stoner-Gepolter zu versinken. Alles schon tausendmal gehört und bei einem Deep-Blues-Festival auch irgendwo mindestens latent deplatziert, der Funke mochte einfach ums Verrecken nicht zünden. Und mit dem finalen Hinschlachten eines alten Kinks-Klassikers war der Ofen dann endgültig aus. Auf der anderen Seite: ein Streich-Ergebnis neben acht absoluten Live-Perlen, who fuckin‘ cares?

Um die mitternächtliche Stunde dann die vollumfängliche Fort- und Ausführung des abgebrochenen Konzerts vom Vorjahr: Nachdem beim 2017er-Raut-Oak der Arm des Gesetzes allzu geflissentlich Fürsorge für Gehörgänge der Nachbarschaft, die Milchqualität der im Umland weidenden Rinder und vor allem einen verheerenden Musikgeschmack an den Tag (oder vielmehr in die späte Nacht) legte und den Headliner-Auftritt von Left Lane Cruiser vor der Zeit zum Erliegen brachte, durften der unglaubliche Fredrick „Joe“ Evans IV und sein Drummer-Spezi Pete Dio in der ROF-Neuauflage in einem wilden Ritt endlich über die volle Neunzig-Minuten-Distanz gehen. Den gedehnten zeitlichen Rahmen optimalst füllend, gab das Duo aus Fort Wayne/Indiana nicht weniger als alles in Sachen rauer, wuchtigst abrockender Trailer-Park-Hard-/Slide-Blues mit einer Prise Southern Rock, hingeknurrten „Dankeshooones!“ für hochverdienten Applaus, von vielen „fuckings“ begleiteten Kurzdialogen, und neben genügend „High Voltage North Mississippi Hill Country Sound“-Eigenmaterial in Hochdruck-Frequenz mit den Geschichten über das prekäre Leben der Abgehängten der US-amerikanischen Gesellschaft auch eine exzellente Auswahl an Fremdkompositionen aus der Feder von alten Säulen-Heiligen wie R.L. Burnside oder John Lee Hooker, dem obligatorischen wie unverwüstlichen „Black Betty“-Brüller, und mit „T.V. Eye“ einen hier nicht erwarteten alten Stooges-Kracher im Trash-Blues-Outfit, Nachgespieltes wie Eigenes wohlfeil herausgerotzt und mit leidenschaftlichem Ungestüm vor die Bühne gespuckt.
Left Lane Cruiser: wie zu vergangenen Gelegenheiten live stets eine Bank, zum 2018er-ROF-Gig ohne jegliche Abstriche einmal mehr. Immer wieder gern genommen, das Ohren- und Hirnwindungen-Durchblasen der beiden Blues-Granaten. Gäbe es diese Band nicht bereits seit fast 15 Jahren, man müsste sie für das Raut Oak im Kontext des rohen Underground-Blues erfinden…

Lebenslange Daueranstellung beim Raut Oak für den großartigen James Leg, so soll es sein. Das Festival ist ohne den son of a preacherman John Wesley Myers nicht mehr denkbar. Der Tastengott aus Tennessee war sich zu weit fortgeschrittener Stunde des Umstands bewusst, wo seine getreuen Fans unterwegs sind und bespielte seine Fender-Rhodes-Orgel nebst Support durch den neuen Drummer Darren Moore (of The Approved/ Magick Godmothers-fame) intensivst im schwer dröhnenden, psychedelischen Blues- und Boogie-Anschlag, brachte die Tastatur des Instrumentariums wie die Wangen der animierten Gefolgschaft zum Glühen und röhrte alte Black-Diamond-Heavies-Hauer und Solo-Hits wie „Casa De Fuego“ oder „October 3rd“ in rauer Stimmlage irgendwo zwischen Tom Waits und Lemmy Kilmister durch die finstere Nacht, man ist geneigt zu behaupten, wie gehabt, aber damit würde man diesem Soundorkan-artigen Auftritt nicht gerecht werden, selten war Leg inspirierter, intensiver, kompromissloser im Vortrag und versierter in der Songauswahl als beim jüngsten ROF-Auftritt. Wenn jemand überragend gute Auftritte des Keyboard-Berserkers aus der Vergangenheit toppen kann, dann ist es nur er selbst, man mochte es im Vorfeld nicht glauben, gleichwohl wurde man Zeuge dieses Wunders, irgendwo weit nach Mitternacht und kurz vor Anbruch des neuen Tags.
Und als die einleitenden Töne zu „A Forest“ erklangen, spätestens dann schwebte das gesamte Festival-Gelände in anderen Sphären, im Original eine leidlich brauchbare Nummer der gerne latent überschätzten, seit Jahrzehnten vor sich hin gruftenden Gothic-Kapelle The Cure, in der Version von James Leg bis dato einer der fünf besten Cover-Versionen in der weiten Welt der populären Musik-Historie und damit der Einspielung der Dudler um den dicken Robert um Lichtjahre enteilt. Im vehement geforderten und großzügig gewährten Zugaben-Teil bot der Ausnahme-Musiker unter andrem ein weiteres Fremdwerk mit der Young/Young/Scott-Weisheit über den weiten Weg an die Spitze, wenn man im Rock’n’Roll-Business zugange ist, aber Hand auf’s Herz, wer braucht die Seelen- und Charakter-kompromittierenden Charts-Spitzenplätze, solange es weitaus ehrlichere Alternativen wie das Raut-Oak Fest gibt?
When the great Reverend James Leg starts to play church organ in the holy house of the blues, we get on our knees and pray. In dem Fall Nacht- oder fast schon wieder Morgen-Gebet, denn mit dem letzten Krachen des Keyboards war die Messe für den zweiten Tag des Raut-Oak-Hochamts gelesen und der erholsame Schlaf nach einem langen wie grandiosen Festival-Tag dringend angezeigt. Hallelujah!

Raut-Oak Fest 2018-06-10 / Tag 3 – coming soon…

Fred & Toody + Top Down + Stani Kirov @ Backstage Club, München, 2017-02-07

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Gitarrengeschrammel Deluxe: Den launigen Garagen-Rock-Dienstagabend eröffnete solistisch das Münchner Blues-Urgestein Stani Kirov mit seiner unnachahmlich direkten Art in der Anmoderation und einer Auswahl neuer Songs, der Fish’n’Blues-Aktivist der Glockenbachwerkstatt und Sänger/Gitarrist der wiederauferstandenen bayerischen Kult-Band Sparifankal 2 um ex-Zündfunk-Moderator Carl-Ludwig Reichert glänzte mit rauher Tonlage im Gesang, so, wie sich das im geerdeten Blues eben ziemt, und beherztem Anschlag seiner elektrisch verstärkten und herrlich roh verzerrten Akustikgitarre, eigenes Liedgut sowie eine mit Leidenschaft vorgetragene Folk-Blues-Version der Kinky-„Kinkster“-Friedman-Nummer „Twirl“, die uns Kirov als „Smalltown Girl“ verkaufte, wussten angenehmst einzustimmen im gut gefüllten Backstage-Club.
(**** – **** ½)

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Das amerikanisch-deutsch-neuseeländische Trio Top Down mit Stammsitz in der Dead-Moon-Heimat Portland/Oregon gab im Mittelteil eine wunderbare Vorstellung in Sachen LoFi-Power-Trash-Indie-Rock, die Band packt das Beste aus den energetischen Ausbrüchen der Crypt-Records-Bands vom Schlage Oblivians, Gories, New Bomb Turks oder den verehrten Beat Happening zusammen mit großen emotionalen Momenten aus dem Fundus von Garagenrock-Urvater Roky Erickson und liefert so mit flottem Punk-Pop-Gitarrenanschlag, stoischem Trommeln und euphorischem Gesang eine gelungene Vorstellung in Sachen geglückte musikalische Globalisierung im Handelssektor „Indie-Rock“. Dead-Moon-Legende Fred Cole hat 2016 die erste EP „Silver Ashes“ der Band wohltuend unüberhörbar mit seiner Handschrift versehen produziert, das Volle-Länge-Debüt „Rough Roads“ der talentierten jungen Schrammel-Musikanten kommt am 17. März via Voodoo Doughnut Recordings auf den Markt, man darf gespannt sein…
(**** ½)

Herzensband, seit jeher: Dead Moon, die Livekapelle der Achtziger und Neunziger in Sachen bezwingender und allumfassend beglückender Garagen-Trash-Rock schlechthin. Die Wiederbelebung des Ur-Trios Cole/Cole/Loomis im Jahr 2014 war leider nicht von langer Dauer, der unvergleichliche Trommler Andrew ist im März 2016 allzu früh den Folgen seiner Krebserkrankung erlegen, seitdem zieht das Ehepaar Fred und Toody Cole als Duo seine Kreise und hält die Erinnerung wach an eine große Band, Echoes From The Past quasi, am vergangenen Dienstag haben sie sich dankenswerter Weise nach vielen Jahren wieder mal nach München verirrt und beschworen auch im zurückgenommenem Tempo in einer Auswahl ihrer Greatest Hits ergreifende Erinnerungen und Eindrücke aus längst vergangenen Tagen herauf, aus einer großartigen Zeit somewhere far away.
Wem bei Perlen wie „It’s OK“, „Dagger Moon“, „Out In The Blue“, „Johnny’s Got A Gun“, „Dead Moon Night“ oder der von Toody Cole nach wie vor wunderbar schräg interpretierten Elvis-Reminiszenz „Can’t Help Falling In Love“ nicht die Tränen der Nostalgie-getriebenen Sentimentalität in den Augen standen, der war nie auf einem Dead-Moon-Konzert, diesen unwiederbringlichen 2+-Stunden-Trash-Messen, in denen die Band nie weniger als alles gab, schweißtreibende Abende, die das Kondenswasser im vollgepackten Substanz von den Wänden laufen ließ, in denen das Trio Hauptacts wie die Lemonheads in der Münchner Theaterfabrik locker aus der Hüfte geschossen an die sprichwörtliche Wand spielte, unwiederbringlich vorbei, und doch vermochten die ins Alter gekommenen Silbermähnen Fred & Toody die Magie dieser intensiven Konzertnächte noch einmal in ihrem reduzierten Duett-Vortrag am Dienstagabend zum Scheinen bringen, das Songmaterial ist ohnehin seit Jahrzehnten über jeden Zweifel erhaben, Toody grinst ihr Wolfsgrinsen wie eh und je, Fred Cole kreischt ohne Abstriche wie zu besten Zeiten um sein Leben und schrammt die Trash-Blues-Riffs auf seiner Gitarre in seiner ureigenen Spielart herunter, das alte Ehepaar ist sich nach so langer gemeinsam verbrachter Zeit on the road unvermindert gegenseitig und ihrer Musik aufs Herzlichste zugetan, eine Vertrautheit, die sich ohne Umschweife sofort auf das Publikum übertrug, nicht wenige dürften diesen emotionalen Konzertabend in tief empfundener Dankbarkeit verlassen haben.
Vorab stand die bange Frage im Raum: mag das Dead-Moon-Material ohne Schlagwerk funktionieren? Es mochte, über die Maßen.
(***** ½)

Very special thanks an Jürgen Franke / Substanz + International Booking Department.

Soundtrack des Tages (163): Fred & Toody

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Das Ehepaar Fred und Toody Cole aus Portland/Oregon hatte zusammen mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Drummer Andrew Loomis bis 2006 zwanzig Jahre lang mit Dead Moon eine der intensivsten und besten Garagen-Trash-Bands ever am Laufen, 2007 gründeten sie mit Kelly Halliburton als neuen Mann an der Trommel das Trio Pierced Arrow, das in Punkto intensive Live-Magie nie an die Vorgängerband heranreichen konnte. 2014 wollten sie es in der alten Besetzung und unter altem Namen noch einmal wissen, leider ist Andrew Loomis kurz darauf schwer an Krebs erkrankt.
Seit einigen Jahren ziehen die Coles als Duo Fred & Toody durch die Lande und geben altes Dead-Moon-Material zum Besten, am kommenden Dienstag, 7. Februar, werden sie sich mit dieser Nostalgie-Revue für Alt-Grunger im Münchner Backstage die Ehre geben. It’s OK!

Fred & Toody spielen heute Abend im Chelsea in Wien, weitere Termine:

06.02.Bergen – Ladenbergen
08.02. – Leipzig – Zoro
09.02.Köln – Sonic Ballroom
15.02.Bielefeld – Forum
28.02.Hamburg – Hafenklang
01.03.Berlin – Privatclub
02.03.Dresden – Jazzclub Tonne
03.03.Frankfurt – Das Bett
04.03.Stuttgart – JH Hallschlag