Buzz Rodeo

Reingehört (520): Trigger Cut

Trigger Cut – Buster (2019, Bandcamp)

Phoenix aus der Asche, die Metapher drängt sich in dem Fall förmlich auf: das Stuttgarter Noise-Rock-Trio Buzz Rodeo um den unermüdlichen Band-Motor Ralph Ralph – a musician so nice, you have to spell him twice ! ;-)) – ist im vergangenen Jahr während einer laufenden Konzertreise aufgrund persönlicher Diskrepanzen zum allseits großen Bedauern den Weg alles Irdischen gegangen, mit neuer Begleitung, neuem Namen und mächtigem Ingrimm kehrt der Gitarrist mit der imposanten Barttracht und der lauten Ansprache zurück in den Ring, beim Comeback unter der Firma Trigger Cut wird er vom Münchner Haikkonen-Drummer Sascha Saygin und Bassist Daniel Wichter kongenial begleitet.
Zehn weitere Tonal/Atonal-Attacken also, auf dem in Kürze erscheinenden Band-Debüt „Buster“. Die neue Rhythmus-Abteilung gibt mittels virtuosem wie stramm zuschlagendem Trommel-Takt und dröhnender, scheppernder Bass-Wucht bereits gewaltigen Druck auf den Kessel, mit Pascal-Werten kurz vor dem Bersten, die Nummer zum Explodieren bringt Frontmann Ralph mit einer geschliffenen, kompromisslosen Härte in den ruppig angestimmten Gitarren-Akkorden, die Rasiermesser-scharf, wie unnachsichtige Hiebe mit dem Ochsenfiesel auf die sinnliche Wahrnehmung einschlagen, erschreckend und Nerven-anspannend wie unvermittelt aufflammende Suchscheinwerfer an verwüsteten Kriegsschauplätzen. Ausschmückende, ergiebige Soli sucht man im Alternative Rock von Trigger Cut vergebens, die staubtrocken angeschlagenen Stahl-Saiten suchen die Balance zwischen ruckartigem, abgehacktem Stakkato und einem permanent drohenden Hinüberkippen ins verstörend Dissonante. Um Schönheit im landläufigen Sinn geht es hier nicht, „Sänger“ Ralph Ralph will vielmehr der ungebändigten Wut Stimme und Ventil geben, bevor sie das Innerste zersetzt, mit unverstellt in die Welt geplärrten und geblafften Parolen, kurzen, griffigen Ansagen, nicht selten einen ohnmächtigen, inhaltlosen Schrei der Verzweiflung mit Nachdruck hinterherjagend.
Mit Neusprech-Firlefanz wie „Noise Cancelling“ oder ähnlichem Gewäsch mögen sich andere in diesen Zeiten der zunehmenden Hektik und des Furors auseinandersetzen, das Ding des Trios ist derlei nicht im Entferntesten, Trigger Cut wollen laut, heftig und eindeutig sein, auf „Buster“ bleibt es nicht beim Wunsch, hier werden in Sachen tonale Interpretation des täglichen Wahnsinns massive Pflöcke eingeschlagen: das auf Tonträger gepresste, lautstarke Empören über eine Welt, die in vielen Belangen mehr und mehr der völligen Verblödung anheim zu fallen scheint. Weit mehr energischer ist Entsetzen kaum vorstellbar in Noise-Rock-Songs zu skizzieren.
Das herrlich lärmende Songwriting des süddeutschen Trios ist auf Weltmarktführer-Niveau und muss sein Licht weder vor dahingeschiedenen noch aktiven Formationen aus dem Kanon der alternativen und unabhängigen Krach-Musikanten unter den Scheffel stellen.
Das geneigte Münchner Konzert-Volk durfte sich bereits im vergangenen Januar bei der Live-Premiere im Kafe Marat von der erschütternden Kompromisslosigkeit dieses brachialen, aus Postpunk, Noise und No Wave geborenen Mördermonsters überzeugen, der Rest der Welt hat demnächst per Konserve Gelegenheit zur anregenden Gehörgang-Spülung – „Buster“ kommt in Eigenregie als DIY-Release Anfang April im CD-Format und passenderweise am „Tag der Arbeit“ zum 1. Mai in einer limitierten Vinyl-Auflage von 500 Stück jeweils über die Online-Plattform Bandcamp zugestürmt. Greifen Sie beherzt zu, wie es auch die Musiker auf diesem Tonträger tun. Und dann, bitte: play it loud !!!
(***** – ***** ½)

Frana + Trigger Cut + Brettern @ Kafe Marat, München, 2019-01-11

Stunden nach der anberaumten Zeit, dafür umso heftiger kam das angekündigte Dreierpack an Noise-Bands am vergangenen Freitagabend im Kafe Marat mit lärmender Wucht in die Gänge. Nach verspätetem und sich schier endlos hinziehendem Equipment-Aufbau im selbstverwalteten linken Münchner Kulturzentrum an der Thalkirchener Straße eröffnete das Münchner Trio Brettern den lauten Abend auf abgedunkelter Bühne mit ihrer Verzweiflung artikulierenden Spielart des Postpunk, der eingangs an die großen Momente des wütend-entfesselten deutschen Do-it-yourself-Gescheppers der frühen Jahre erinnerte, jene gefühlt fünf Minuten andauernde Phase des bundesrepublikanischen Undergrounds in den späten Siebzigern, bevor die Nummer zur unsäglich Kommerz- und Mainstream-verseuchten Neuen Deutschen Welle entartete. Die Gitarre mit ruppigen Riffs und ein wenig Verzerrung und Nachhall beackert, einen treibenden Rhythmus dazu geklopft und den Defätismus und die Verachtung ohne selbstauferlegte Zurückhaltung heraus geschrieen und gekreischt, fertig war das eindringliche Beben, zu dem die Erinnerung an die radikale Beschallung der Übungskeller und Jugendzentren aus der RAF-/Anti-Atom-/Kalter-Krieg-Ära mitschwang.
Wo der deutsche Punk spätestens wie eingangs erwähnt circa zur Dekadenwende 79/80 die völlig falsche Abzweigung nahm, entwickelten die Briten seinerzeit bekanntlich vorwiegend in der Manchester-Gegend die musikalische Ausdrucksform zu Skizzierung von Großstadt-Kälte und anonymer Isolierung, und in die Richtung ging auch bei Brettern mit weiterem Verlauf ihrer kurzen Aufführung die intensive Reise, optisch untermalt durch das erratische, nervöse Aufblitzen der Neonröhre zum Schlaglicht-artigen Durchzucken der Finsternis erging sich das gemischte Trio in dissonanten und Feedback-entfremdeten Endzeit-Visionen, die als Soundtrack zum Abgesang einer untergehenden Zivilisation angesichts von Klimakatastrophe, Artensterben und gesellschaftlichen Verwerfungen nichts an Aktualität eingebüßt haben. Postpunk im Jahr 2019, dank Bands wie Brettern sehens- und hörenswert wie zu Urzeiten, mit entsprechendem Zorn lautstark der Welt ins Gesicht geschleudert, da kann man den Herrschaften an den Gitarren-Gerätschaften und der Trommlerin nur Durchhaltevermögen wünschen, denn: bei Gelegenheit gern wieder und mehr davon.

Der eigentliche Anlass des Einfindens in der autonomen Zelle dann zu fortgeschrittener Stunde mit der neu formierten Stuttgart-München-Connection Trigger Cut und ihrem Premiere-Live-Gig in der noch jungen Bandhistorie – dabei sind die Musiker alles andere als unbeschriebene Blätter in der – nicht nur – süddeutschen Indie-Rock-Szene: Gitarrist und Sänger Ralph Schaarschmidt war für einige Jahre die treibende Kraft hinter dem Art-Punk/Noise-Trio Buzz Rodeo, das vielerorts auf internationaler Bühne für Aufsehen wie Lob in höchsten Tönen für ihre veröffentlichten Tonträger sorgte und bedauerlicherweise im vergangenen Jahr wegen persönlicher Differenzen während des laufenden Tour-Betriebs die Segel strich. Jede Krise eine Chance, und so gingen bei nicht wenigen aus der geneigten Hörerschaft die Daumen hoch, als vor einigen Monaten die Nachricht die Runde machte, dass Schaarschmidt mit Unterstützung des Münchner Drummers Sascha Saygin den Spirit von Buzz Rodeo mit dem neuen, gemeinsamen Trio Trigger Cut weiterzutragen gedenkt. Saygin selbst tritt neben seinem Band-Engagement mit dem eigenen Ein-Mann-Projekt Haikkonen durch vertrackte Schlagzeug-Rhythmik, komplexe Electronica-Untermalungen und Trance-Samples in kaum einzuordnender Vielfalt wie ureigener Klangsprache beeindruckend in Erscheinung, mit seinem ausdifferenzierten, die ungeraden Takte favorisierenden, ungekünstelten und druckvollen Trommel-Anschlag hebt er den knochentrockenen, beinharten Hybrid-Sound aus No Wave, Noise Rock und Hardcore der neuen Trio-Formation auf ein weiteres Level und gibt Rahmen wie Form für die stoischen, kompromisslosen Gitarren- und Bass-Attacken und die Stakkato-artigen, drängenden Lautsprechereien des Combo-Vorstands mit dem rauschenden Bart.
Trigger Cut sind die Band, die die mittlerweile seit über fünfzehn Jahren währende Auszeit der Washingtoner Straight-Edge-Legende Fugazi und die permanente Abwesenheit der hochgeschätzten US-Lärmer The Jesus Lizard von europäischen Bühnen erträglicher gestaltet. Nach der ersten, über die Maßen gelungenen, wenn auch sehr kurzen Show der Band steigert sich die Vorfreude auf den im Frühjahr anstehenden Debüt-Tonträger „Buster“ noch einmal um ein Vielfaches. Watch out for some exciting noise entertainment, coming soon...

Den Abend für die Freunde (m/w/d) der lauten, unverstellten und hart zupackenden Rockmusik beschlossen gegen Mitternacht die vier Italiener von Frana aus Mailand mit ihrer ungebremsten Mixtur aus Post-Hardcore, strammem Punk und Indie-/Alternative-Rock der kräftigeren Sorte, der Sound des Quartetts reihte sich qualitativ wie energetisch stramm in die bereits dargebotenen Aufführungen ein und ließ das junge Volk den gepflegten Pogo-Ausdruckstanz mitspringen, das nervöse Zucken zu den fieberhaften, scheppernden, rohen Gitarren der Lombarden, getrieben von kantigem Rhythmus, besungen von wütendem, sich in nichts zurücknehmenden Geplärre und unterminiert von einer diffusen, nachklingenden Dissonanz. Die Band ist seit 2012 auf Sendung, hat mittlerweile diverse Tonträger veröffentlicht, unter anderem im vergangenen Jahr den Longplayer „Awkwardwards“ beim polnischen Indie-Label Antena Krzyku. Trigger-Cut-Drummer Sascha Saygin schwang zwischenzeitlich auch seine Trommelstöcke für die Nord-Italiener. 2016 waren Frana auf „These Important Years, Hüsker Dü Revisited“ beim Tribute des brasilianischen Coverversionen-Labels The Blog That Celebrates Itself Records für die größte aller großen US-Post-Hardcore-Bands mit von der Partie, Ehre einerseits wie Bezugsgröße für die musikalische Heimat und Ausrichtung des eigenen Schaffens der Band aus Norditalien. Mit dem Auftritt von Frana wurde einmal mehr deutlich, dass der europäische Gedanke und Austausch mit den Nachbarländern im selbst organisierten musikalischen DIY-Underground weitaus gedeihlicher und bereichernder funktioniert als anderweitig per EU-Dekret, Verordnung oder fragwürdiger Handelsabkommen und Knebel-Kredite. Noch ist für das alte Europa nicht aller Tage Abend, wenigstens nicht in subkultureller Hinsicht, wie am Freitag im Marat bis in die tiefe Nacht hinein in lärmender Pracht festzustellen war…

Reingehört (302): Buzz Rodeo

„You think you are a Rock Star, but you always will be a HOFNARR!!“
(Buzz Rodeo, Pride Parade)

Buzz Rodeo – Combine (2017, Antena Krzyku Records)

Enter Daniela Schübel: Ur-Bassist Gernot Schad hat beim Stuttgarter Noiserock-Trio Buzz Rodeo ausgecheckt, im aktuellen Gruppenbild mit Dame liefern die Vehemenz-Rocker in Nachfolge zum bereits schwer überzeugenden „Sports“-Debüt von 2015 ein nicht minder heftiges Paket in Sachen tonaler Vollbedienung auf ihrem kommenden Tonträger „Combine“, mit 11 neuen Krachern ist die süddeutsche Combo endgültig in der internationalen Klasse in Sachen Post-Hardcore, Alternative Rock, Grunge und Noise angekommen.
Vor Ideen und Spielfreude schier berstend muss die Band im Februar ins Studio gegangen sein, in sage und schreibe zwei Tagen haben Buzz Rodeo ihr neues Werk eingespielt und damit einen bezwingenden Monolithen aus geschliffener, allzeit gut ins Ohr gehender Härte, überzeugender Brachial-Sangeskunst, energischer Virtuosität und euphorisierender Ideen-Vielfalt im Songwriting in die Landschaft gestellt, jede Nummer auf den Punkt gebracht, direkt, zupackend, ohne Schnörkel, dabei in vielen Farben funkelnd.
Sänger und Gitarrist Ralph Schaarschmidt gibt den versierten Musikanten an den Saiten, stets in der richtigen Balance zwischen der angedeuteten Melodie und dem nach vorne drängenden Postpunk-Riff, die geballte aufgestaute Wut und die unmissverständliche Ansage in seinen kompromisslosen Textvortrag legend, irgendwo zwischen Rotten und Rollins, getragen vom wuchtig-treibenden Beat-Brett aus der Garage der Rhythmus-Abteilung Daniela Schübel und Helge Gumpert.
Wem, vielleicht auch schon länger, das Wahre und Schöne in Kombination mit einem bezwingenden, allumfänglich beglückend-begeisterndem Vortrag im Grunge und Artverwandtem in der laut abzuspielenden und -hörenden Alternativ-Rock-Musik fehlt, bitteschön, hier bei Buzz Rodeo und ganz besonders auf dem neuen Tonträger wär’s zu haben, in einem nicht zu knapp bemessenem, prallen Rundum-Glücklich-Paket. Man muss nicht nach Amiland schielen und hoffen, dass sich ab und an Bands wie die Melvins oder Qui in unseren Gefilden blicken lassen, was Vernünftiges an Tonträgern auf den Markt schmeißen oder Fugazi endlich aus dem Urlaub zurückkommen, das Gute liegt so nah.
Im Hause Kulturforum läuft derzeit mehr als nur ein Musikkonsument durch die Katakomben, der dank der neuen Buzz-Rodeo-Scheibe in entrückter Verzückung irgendwas in Richtung „Volltreffer“ und „Jahres-Highlight“ vor sich hin murmelt.
„Combine“ erscheint am 1. Mai, auf Bandcamp ist das gute Teil bereits jetzt abhör- und bestellbar. Do yourself a favour: Verkaufen Sie Ihren Rembrandt und kaufen Sie diese Platte!
(***** – ***** ½)

Buzz Rodeo @ Sunny Red, München, 2016-11-19

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Manchmal hat das Leben was anderes mit einem geplant, da machste nix. Das Stuttgarter Noiserock-Trio Buzz Rodeo steht seit der Veröffentlichung ihres 2016-Bretts „Sports“ (2016, Fidel Bastro / Broken Silence) weit oben auf der Wunschkonzert-Liste, am vergangenen Samstag sind sie im Rahmen der sporadisch im Feierwerk stattfindenden Zombie Sessions für schlappe 2 Euro inklusive dreier zusätzlicher Lärm-Combos aus dem näheren Umkreis in München aufgeschlagen – und wer war wegen anderweitiger privater Termine verhindert? Genau. Sehr ärgerlich.
Immerhin war der Nachwuchs aufgrund allgemeiner Begeisterung über den Buzz-Rodeo-Sound vor Ort, hat ein paar Fotos geschossen und seine Eindrücke kurz und prägnant zum Besten gegeben:
F: „Wie war der Publikumsandrang?“
A: „War gut, ziemlich volles Sunny Red.“
F: „Und wie sind Buzz Rodeo vom Publikum aufgenommen worden?“
A: „Sind super angekommen, es waren einige Leute auch am abdancen.“
F: „Wie hat’s Dir selber gefallen?“
A: „Ich fand’s echt richtig gut, würde ich mir sofort wieder geben, meine Freunde und ich haben uns am Merch auch alle die rote Vinylpressung eingefangen von der „Sports“-Scheibe, für zehn Öre total fairer Preis übrigens, Musik war hart, zupackend, intensiv, nie langweilig. Die Band ist total sympatisch rübergekommen. Der Bassist und der Bartmann haben eine gute Show abgezogen, sehr schade, dass Buzz Rodeo wegen dem festen Programmablauf keine Zugaben gespielt haben.“
F: Wieviele Sterne würdest Du vergeben, kennst ja die Wertungen z.B. von Mono, Modern Day Babylon, etc.?
A: „Schon (*****), doch, unbedingt.“

Fotos © Xaver Emmer

Buzz Rodeo / Bandcamp